Assauer: "Ich will anderen Menschen Mut machen"

Im AZ-Interview erklärt Rudi Assauer, wie froh er ist, seine Alzheimer-Krankheit öffentlich gemacht zu haben. Er freut sich über die viele Reaktionen (auch vom FC Bayern) und spricht wieder über Fußball
AZ: Herr Assauer, wie geht es Ihnen?
RUDI ASSAUER: Gut. Ja, ist ok. Danke.
Trotz all dem Trubel, den Ihr Bekenntnis, an Alzheimer erkrankt zu sein, in den letzten Tagen ausgelöst hat?
Natürlich ist viel los, viel Theater. Aber das bin ich ja von früher gewohnt.
Dennoch ist diesmal alles anders. Es geht nicht um Spielertransfers und Ablösesummen, um Titel und Pokale – es geht um Sie. Die Menschen haben Mitleid mit Ihnen, da Sie nun mit dieser tückischen, unheilbaren Krankheit den Rest Ihres Lebens meistern müssen.
Klar, damit muss ich leben. Ich fühle mich jetzt erleichtert. Es war gut, an die Öffentlichkeit zu gehen, mit dem Buch, mit dem ZDF-Film. Nun muss ich mich nicht mehr verstecken. Es ist raus!
Wer hat sich denn in den letzten Tagen gemeldet?
Ach, viele. Viele Freunde. (überlegt).
Seine Sekretärin Sabine Söldner springt ein: Bei uns ist seit Montagabend der Bär los, zahllose Anrufe, zig Mails, mein Handy war voll. Die Empfangsdame unseres Büros in Gelsenkirchen hat schon solche Propeller-Ohren. Das Telefon klingelte im Sekundentakt. Rund 800 Mails in den ersten Tagen. Reiner Calmund hat sich gemeldet, die Bayern mit Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, da haben wir uns sehr Freude.
Herr Assauer, haben Sie direkt mit den Leuten gesprochen?
Nein, die Söldnerische (die Sekretärin, d.Red.) oder meine Tochter Bettina haben es mir ausgerichtet oder zum Lesen gegeben.
Seine Sekretärin: Der Tenor war immer: Egal, was Assauer mal verbockt, egal, ob man sich mal gestritten hat – das hat er, dieser Macho, einer der Dinos der Liga, nicht verdient. Es melden sich sogar Professoren aus Deutschland und den USA, viele Angehörige von Betroffenen geben Tipps, wie er nun mit der Krankheit umgehen solle. Es kommen natürlich auch Autogrammwünsche, viele wollen ein signiertes Buch bekommen. Wir haben gemeinsam mit dem Riva-Verlag eine offizielle Rudi-Assauer-Seite bei Facebook ins Leben gerufen, da können User ihre Wünsche übermitteln.
ASSAUER: Jetzt kommt noch einiges auf mich zu. Dann will ich das erstmal alles sacken lassen und demnächst wieder meine Ruhe haben. Ich denke, dass es nächste Woche wieder ruhiger wird. Mich freut noch etwas ganz anderes.
Was denn, bitte?
Es war gut, damit rauszugehen. Ich möchte anderen Menschen, die an Alzheimer leiden, damit Mut machen. Öffnet Euch! Macht reinen Tisch! Zack bumm – versteckt euch nicht mehr!
Weil auch Sie hoffen, dass die Menschen Ihnen nun anders begegnen?
Ja, da wird nicht mehr hinter vorgehaltener Hand geredet, da wird nicht mehr getuschelt, ob ich etwa ein Alkoholproblem hätte.
Als Sie vor zehn Tagen bei einem Heimspiel des FC Schalke in „Ihrer” Veltins-Arena waren, sind Sie – so erzählte Ihre Tochter – ganz bewusst kurz vor Anpfiff erst auf die Plätze der Haupttribüne und nach Abpfiff ganz schnell wieder zum Parkplatz. Nur weg, damit man in keine großen Gespräche verwickelt wird.
So, das hat Sie erzählt, die Madame Schnittenfittich? (schmunzelt). Das ist eine! Na ja, es geht doch darum, dass ich nun wieder am öffentlichen Leben teilnehmen möchte, weil die ganze Nummer raus ist.
Vor Ihrem Outing sind Sie am 19. November bei der Unesco-Gala letztmals in der Öffentlichkeit aufgetreten. Demnächst wollen Sie auch wieder Einladungen annehmen, zu Empfängen gehen. Etwa beim Steiger-Award Mitte März in Bochum. Dort wird Königin Silvia von Schweden geehrt.
Ja? Schön. Dann werde ich mal mit ihr plaudern, wenn die Dame mir über’n Weg läuft.
Am Samstag verzichten Sie wegen des zu erwartenden Trubels auf den Besuch des Schasker Heimspiels gegen Mainz?
Ja, leider. Ist besser so.
Wie sieht denn momentan Ihr Tagesablauf aus?
Ich gehe immer noch jeden Vormittag in mein Büro, das allerdings Ende April dann geschlossen wird. Zu Hause kümmert sich meine Tochter Bettina liebevoll um mich. Denn alleine geht’s nicht mehr. Ich bin froh, dass ich die beiden habe (er meint seine Tochter und die Sekretärin, d.Red.). Die helfen mir sehr, das tut gut.
Wie schlimm ist das, zu wissen, dass man nicht mehr alleine zu Recht kommt?
Das tut weh. Ich sage Ihnen, das ist nicht so einfach. Aber damit musste ich mich abfinden. Dass sich nun so viele Leute melden, gibt mir Kraft.
Wie lange werden Sie nun bei Ihrer Tochter wohnen?
Mein Haus in Gelsenkirchen ist dieser Tage verkauft worden, wir suchen ein neues Objekt. Es soll ein Mehrgenerationenhaus sein, in dem jeder seinen Bereich hat und man sich gegenseitig unterstützen kann.
Wie intensiv verfolgen Sie trotz Ihrer Krankheit denn derzeit den Fußball? Die Bundesliga?
Ich schaue alles im Fernsehen an, was kommt.
Und wem drücken Sie die Daumen?
Wenn Schalke gegen Bayern spielt, bin ich natürlich für S04. Ist doch klar. Und bei einem Spiel gegen Borussia Dortmund sowieso.
Wird Schalke in diesem Mai Meister? Das erste Mal seit 1958? Vor ein paar Jahren haben Sie gesagt: ,Ich werde noch erleben, dass Schalke den Titel holt.‘ Glauben Sie nun wirklich dran?
Ich würde es meinem Kumpel Huub (Trainer Stevens, d.Red.) gönnen, wenn er den Titel für Schalke holt – dann wäre hier die Hölle los. Aber ich befürchte, dass es am Ende wieder die Bayern machen. Die haben am Ende die Nase vorn. Dortmund verteidigt seinen Titel nicht. Die Gladbacher spielen eine tolle Saison, aber die haben nicht das Zeug für den ganz großen Wurf. Für Schalke wäre es doch toll, wieder mal in die Champions League zu kommen.
Und das ohne Manuel Neuer.
Das ist ein anständiger Junge, der hat Klasse. Und wenn er mal einen Patzer macht wie neulich – mein Gott, das passiert halt mal.
Wie beurteilen Sie die Arbeit von Rückkehrer Stevens auf Schalke?
Huub macht das gut, der Alte ist echt in Ordnung. Der Knorrer hat die Jungs alle schön im Griff. Ich kenne ihn ja noch gut aus unseren gemeinsamen Tagen (1996 bis 2002, d.Red.). Wenn der Huub mal gallig wird, dann Halleluja! Dann können die Spieler ihre Ohren aber anlegen.
Und was halten Sie vom Job, den Jupp Heynckes bei Bayern macht?
Da muss ich sagen: Respekt! Wir haben ja auch mal zusammengearbeitet. Er macht das gut da unten in München, ist ja nicht so einfach dort – und das in dem Alter! (lacht). Er ist ja fast mein Jahrgang.
Im Sommer steht die EM an. Was kann die deutsche Nationalelf in Polen/Ukraine erreichen?
Ich denke, dass Joachim Löw mit seiner Truppe im Sommer den Titel holen kann – mit solchen Weltklassespielern wie Özil & Co. auf jeden Fall. Die wären nach dem dritten Platz bei der WM 2010 nun reif.
Für den EM-Titel?
Ja, sie müssen eben die Spanier bezwingen.