Argentinien im Finale: Furcht vor Deutschland ist groß
São Paulo - Gut zwei Stunden nach dem Elfmeter-Krimi ging endlich die Kabinentür auf und heraus kam Lionel Messi. Alle hatten zuvor auf diese Tür gestarrt, denn alle wollten vom Superstar der Argentinier wissen: Was ist das für ein Gefühl, zum ersten Mal in einem WM-Finale zu stehen? Und wie wollen Sie am Sonntagabend bloß gegen diese furiosen Deutschen bestehen?
Das Problem war, dass Messi nicht allein durch diese Tür ging. Der vielleicht beste Fußballer der Welt schickte zwei Bodyguards vor, die ihn eiligen Schrittes an einer Masse von Journalisten vorbei in den Mannschaftsbus schleusten. An einem der größten Abende einer glorreichen Karriere sagte der 27-Jährige kein Wort.
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Nur auf seiner Facebook-Seite war er nach dem 4:2-Halbfinal-Sieg im Elfmeterschießen gegen die Niederlande bei der Dopingkontrolle zu sehen. "Wir sind im Finale!! Was für ein Wahnsinn. Was für ein heldenhaftes Spiel", schrieb er dazu. Ansonsten galt: Volle Konzentration auf das Endspiel im Maracanã (Sonntag, 21.00 Uhr live in der ARD und hier im AZ-Liveticker).
Um die Gefühlslage der Argentinier zu beschreiben, brauchte am Mittwochabend allerdings auch niemand ein Zitat von Lionel Messi. In der Hauptstadt Buenos Aires bot nicht einmal die 140 Meter breite "Avenida 9 de Julio" genug Platz für all die Zehntausenden von feiernden Fans. Der erste Final-Einzug seit 1990 fiel auch noch auf den Unabhängigkeitstag 9. Juli. "Ich bin sehr glücklich - und das aus mehreren Gründen", meinte Trainer Alejandro Sabella. "Ich Freude mich für meine Spieler, diese fantastische Gruppe. Dann natürlich für das argentinische Volk, das jetzt auf den Straßen feiert. Ich danke meiner Familie, meinem Stab und dem argentinischen Verband für das Vertrauen, dass ich diese Mannschaft trainieren darf."
Um Messis Gefühlslage nachzuvollziehen, reicht ein kurzer Blick in die argentinische Fußball-Geschichte. Die wurde vor allem von Diego Maradona geprägt, der 1986 ein WM-Endspiel gegen Deutschland gewann (3:2) und 1990 in Rom ein weiteres verlor (0:1). Seitdem muss sich jede Generation an Maradonas Erfolgen messen lassen - sogar und vor allem Messi. "Ich würde alle meine persönlichen Rekorde hergeben, um Weltmeister zu werden", sagte er. Jetzt hat er endlich die Chance.
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Ähnlich groß wie der Jubel im Land und der Schatten Maradonas ist bei den Argentiniern nur eines: der Respekt, um nicht zu sagen die Angst vor dem Endspiel-Gegner Deutschland. "Das wird extrem schwer. Wir haben einen Tag weniger zur Vorbereitung und dann auch noch eine Verlängerung sowie ein Elfmeterschießen in den Knochen", klagte Sabella. Danach tauchte er ganz tief diesmal in die Geschichte des deutschen Fußballs ein. "Beckenbauer, Netzer, Schuster, Matthäus: Immer wenn deutsche Mannschaften die Chance haben, Geschichte zu schreiben, haben sie Spieler mit einem fast schon südamerikanischen Touch im Team." Jetzt kämen sogar noch Spieler wie Khedira oder Özil hinzu. "Seitdem sie auch noch die Kinder ihrer Einwanderer einsetzen, sind die Deutschen noch stärker geworden."
Was sein Team angeht, scheiden sich bei dieser WM die Geister. Belgiens Trainer Marc Wilmots sagte: "Das ist eine gewöhnliche Mannschaft." Allerdings hat sich diese Mannschaft von Spiel zu Spiel gesteigert. Sie lässt sich kaum aus der Ruhe bringen und ist trotz bestenfalls zur Hälfte veränderter Besetzung deutlich besser organisiert als beim 0:4-Debakel gegen Deutschland bei der WM 2010. "Wir spielen mit unserem Herzen und unserer Seele - aber auch mit viel taktischer Intelligenz", sagte Javier Mascherano.
Der Barça-Profi ist der Chef im Mittelfeld und der heimliche Kapitän dieses Teams. Er war sogar schon 2006 bei der anderen schmerzhaften Viertelfinal-Niederlage gegen Deutschland dabei. Die Erfahrung von Mascherano, die beiden gehaltenen Elfmeter von Torwart Sergio Romero im Halbfinale, die erhoffte Rückkehr des verletzten Angel di Maria zum Endspiel: All das zeigt, dass diese Argentinier mehr sind als nur Messi plus zehn Andere.
Ob er jetzt heiß sei auf eine Revanche gegen Deutschland, wurde Mascherano dann noch gefragt. Er sagte nur: "Das ist keine Revanche für uns. Nur eine vielleicht einzigartige Chance."
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