Anschlag auf Togos Nationalmannschaft: „Beschossen wie Hunde“

Drei Tote nach Rebellenangriff. Die überlebenden Spieler um Superstar Emmanuel Adebayor reisen ab. Der Afrika-Cup wird aber wie geplant abgehalten. Die DFB-Stars sorgen sich um ihre Sicherheit bei der WM in Südafrika.
CABINDA Am Sonntag telefonierte Jupp Heynckes mit seinem Spieler Assimiou Touré. „Er ist in einem Schockzustand und traumatisiert“, berichtete Leverkusens Trainer danach. Kein Wunder, denn auch der 22-Jährige saß in jenem Unglücksbus, der die Nationalmannschaft Togos am Freitag zum Afrika-Cup nach Angola bringe sollte – und von Rebellen der „Befreiungsfront für die Unabhängigkeit von Cabinda“ (FLEC/siehe Infokasten unten rechts) mit Maschinengewehren beschossen wurde (AZ berichtete). Touré musste mitansehen, wie der Busfahrer, Assistenz-Trainer Abolo Amelete und Pressesprecher Stanislas Ocloo im Kugelhagel ums Leben kamen.
Auch er bangt noch immer um seinen Teamkollegen Kodjovi Obilale. Togos Nationaltorhüter wurde in Bauch und Rücken getroffen, nach Johannesburg ausgeflogen und notoperiert. Obilale muss weiter auf der Intensivstation künstlich beatmet werden.
„Wir kamen aus dem Kongo, waren zwei Minuten hinter der angolanischen Grenze. Mitten im Urwald wurden wir angegriffen“, berichtete Touré. Teamkollege Thomas Dossevi vom FC Nantes sagte: „Wir wurden beschossen wie Hunde. Die Angreifer waren bis an die Zähne bewaffnet. Alle versteckten sich 20 Minuten lang unterm Sitz. Es war schrecklich.“
Fünf Monate vor der Fußball-WM in Südafrika, der ersten auf dem schwarzen Kontinent, sorgt dieser Terroranschlag weltweit für Entsetzen – und wirft Fragen auf. Die AZ beantwortet die wichtigsten:
Wird der Afrika-Cup überhaupt abgehalten? Ja. Der Afrikanische Fußballverband (CAF) hält ebenso an der Austragung fest wie der Weltverband Fifa und der zuständige Nationalverband Angolas. Eine Entscheidung, die Togos französischer Nationaltrainer Hubert Velud, der von einer Kugel am Arm getroffen wurde, hart kritisierte: „Es ist ein Akt der Barbarei, während wir hier eigentlich den afrikanischen Fußball feiern wollen. Das war Krieg. Die Organisatoren scheinen das nicht ernst zu nehmen.“ Womit er Recht haben könnte. So meinte Angolas Sportminister Goncalves Muandumba allen Ernstes: „Wir garantieren, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Schutz und Unversehrtheit aller Mannschaften, Fans, Betreuer und Touristen zu gewährleisten.“
Wie reagiert die Fifa? Zunächst wurde nur ein Bericht über das Unglück beim Veranstalter angefordert. Am Sonntag bekundete Präsident Sepp Blatter in einem Offenen Brief an CAF-Boss Issa Hayatou sein Beileid. Allerdings dürfe auch jetzt nicht vergessen werden, dass Afrikas Fußball viel für den Weltfußball geleistet habe. Er sei „die Wiege der reinen Freude am Fußball“.
Nimmt Togo teil? Nein. Zunächst hatte sich das Team in der Nacht zum Sonntag entschieden, am Montag zu ihrem Auftaktspiel gegen Ghana anzutreten. „Menschen sind für den Afrika-Cup gestorben, andere wurden verletzt. Wir werden uns nicht wie Feiglinge zurückziehen. Wir müssen uns verhalten wie Männer“, sagte Nationalspieler Alaixys Romao. Togos Premierminister Gilbert Houngbo, der ab Montag eine dreitägige Staatstrauer befohlen hat, legte jedoch sein Veto ein: „Das Team muss abreisen und nach Togo zurückkehren.“ Danach lenkten die überlebenden Stars ein. Topstar Emmanuel Adebayor von Manchester City meinte: „Leider hat die Staatsführung eine andere Entscheidung getroffen. Deshalb werden wir packen und nach Hause fahren.“ Und Assimiou Touré sagte: „Wir werden definitiv nicht beim Afrika-Cup spielen, werden aus Angola ausgeflogen. Die Maschine des Staatspräsidenten holt uns ab. In Togo werden wir alle bei der Beisetzung der Toten dabei sein.“
Wie reagieren die abstellenden Klubs? Englische Erstligisten, unter anderem Portsmouth und Hull, forderten ihre Spieler zur Rückkehr auf. Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser hatte bereits vor dem Abflug der togolesischen Delegation über Touré gesagt: „Wenn er zurück will, werden wir ihn holen, koste es, was es wolle.“ Generell gilt für den Afrika-Cup jedoch eine Abstellungspflicht seitens der Fifa.
Kann Ähnliches auch ab Juni in Südafrika passieren? Zwar ist das Kap gut 1000 Kilometer von Cabinda entfernt, zwar gibt es in Südafrika keine Rebellen, doch die Kriminalität ist hoch: Gangs und Gangster regieren in Städten und Dörfern, Überfälle gehören in den Straßen Johannesburgs und Kapstadts zur Tagesordnung, täglich werden fast 50 Menschen ermordet. Fifa-Boss Blatter jedoch sagte, er habe „nach wie vor vollstes Vertrauen in Afrika“. Und Rich Mkhondo, Sprecher des WM-OKs, meinte: „Südafrika ist nicht Angola. Ich verspreche: Alle Fans sind sicher.“ Und auch alle Teams?
Wie reagieren die deutschen Nationalspieler? Mit Unbehagen. So sagte Bayern-Profi Bastian Schweinsteiger: „Wenn man so etwas hört, dann zuckt man zusammen und macht sich seine Gedanken.“ Und Nationaltorhüter René Adler meinte: „Das ist doch alles krank. Ich frage mich, wie die das mit der Sicherheit bei der WM handhaben wollen.“
Wie sehen die Sicherheitsmaßnahmen bei der WM aus? Insgesamt sollen 190000 Sicherheitskräfte für Ruhe sorgen. Südafrikas Regierung kaufte eigens für die WM drei Überwachungsflugzeuge, vier Hubschrauber und 200 mobile Videoüberwachungssysteme.
Wie wird die deutsche Nationalelf geschützt? Die DFB-Delegation wohnt im Fünf-Sterne-Hotel Velmore Grande bei Johannesburg. Das Anwesen ist von einem zwei Meter hohen Zaun umgeben. DFB-Sicherheitschef Helmut Spahn reist mit 20 Security-Männern an.