Andy Brehme über Maradona: "1990 war unser Diego der Schlüssel zum WM-Erfolg"

München - Andreas Brehme (60) begann seine Laufbahn beim Hamburger Amateurverein HSV Barmbek-Uhlenhorst, 1980 wechselte er zum 1. FC Saarbrücken und landete ein Jahr später beim 1. FC Kaiserslautern. Zwischen 1986 und 1988 trug der Abwehr- und Mittelfeldspieler das Trikot des FC Bayern.
Die Ablösesumme in Höhe von zwei Millionen Mark, die die Münchner für Brehme an Kaiserslautern zahlten, war die bis dahin höchste Summe für einen deutschen Spielertransfer innerhalb der Bundesliga. Weitere Stationen als Profi waren Inter Mailand, Reals Saragossa und erneut Kaiserslautern. Für die A-Nationalmannschaft lief er zwischen 1984 und1994 in 86 Länderspielen auf und erzielte dabei acht Tore.
AZ: Herr Brehme, nach dem WM-Finale 1986 in Mexiko triumphierte noch Diego Maradona, vier Jahre später durften Sie nach dem 1:0 in Rom gegen Argentinien den WM-Pokal in Händen halten. Maradona hat bitterlich geweint. Haben Sie ihn getröstet?
ANDREAS BREHME: Ich habe ihn leider nicht gesehen in dem Durcheinander nach dem Schlusspfiff - ansonsten natürlich schon. Wir hatten uns zuvor kurz die Hände geschüttelt, er hat mir gratuliert. Aber in dem Moment will der Unterlegene nicht viel reden, das weiß man als Sportler. Diego war ein total feiner Kerl und natürlich ein Weltklassefußballer, einer der Größten aller Zeiten. Als ich am Dienstag die Nachricht auf mein Handy bekam, musste ich schon schlucken. Das war echt ein Schock. Ich dachte noch, es würde ihm besser gehen, weil die Operation gut verlaufen sei.
WM-Finale 1990: Buchwald ließ Maradona nie ins Spiel kommen
Im Finale 1986 führten zwei ihrer Ecken zum zwischenzeitlichen 2:2-Ausgleich. Im Endspiel 1990 verwandelten Sie den entscheidenden Elfer zum 1:0-Erfolg: Wie erlebten Sie diese beiden unterschiedlichen argentinischen Mannschaften, jeweils angeführt von Superstar Maradona?
In Mexiko war er viel besser, dominanter. Bei der WM in Italien hatten sich die Argentinier ins Endspiel durchgemogelt, machten nur im Halbfinale gegen die Gastgeber ein richtig gutes Spiel (und gewannen in Maradonas Wahlheimat Neapel im Elferschießen, d.Red.). Daher waren wir im Endspiel Favorit. Vorher überlegte der Franz: Was tun gegen Diego? 1986 hatte Lothar Matthäus gegen Maradona gespielt, nun passte Guido Buchwald perfekt. Guido hat das Weltklasse gemacht, ließ Maradona nie ins Spiel kommen. Unser "Diego", wie wir ihn später genannt haben, war der Schlüssel zum Erfolg.

Wie musste beziehungsweise konnte man denn gegen Maradona agieren als Bewacher?
Zum Glück ist er selten über meine linke Abwehrseite gekommen (lacht). Du musst ihn - wie Guido das gemacht hat - ab der Mittellinie stellen, unbequem sein, aber ohne Fouls. Er muss deinen Atem spüren, das hat kein Angreifer gerne. Und am besten immer vor ihm am Ball sein oder zumindest bei der Ballannahme stören. Ansonsten haben wir, vor allem jenseits der Mittellinie, ihn auch übergeben und als Mannschaft im Raum gegen Maradona verteidigt.
Brehme: Diego für viele ein Heiliger, auch für Schiedsrichter
Auch im Trikot von Inter Mailand haben Sie in der Serie A oft gegen Maradona und seinen SSC Neapel gespielt. Wie haben Sie das erlebt, vor allem im "San Paolo" von Neapel?
Dort herrschte eine besondere Atmosphäre, heißblütig wie man die Süditaliener kennt. In seiner Stadt war Diego ein Heiliger - und das sahen auch einige Schiedsrichter so. Du durftest ihn im Zweikampf kaum berühren, er hat sich sehr schnell fallen lassen, lag sofort am Boden. Vor seinem Publikum haben ihn die Schiedsrichter etwas geschützt. Wenn wir Maradona bei uns im Meazza-Stadion empfingen, bekam er etwas mehr auf die Socken. Aber nie bösartig.