Alles Glückssachen: So klappt’s gegen Ghana
CENTURION - Talismane und Gebete, Rituale und Spleens: Vor dem entscheidenden Gruppenspiel hat (fast) jeder Spieler seine ganz persönliche Masche, um sich gestärkt zu fühlen – und zu gewinnen.
Wenn es eng wird, in Bedrängnis, unter Druck, bei einer Prüfung, greift der Mensch gerne zu etwas, das einem hilft, woran man glaubt – ob es nun lächerlich wirken mag oder nicht. Man will sich an etwas festhalten, an einem Talisman, einem Ritual.
Die Prüfung und der Druck könnten für die deutsche Nationalelf nicht größer sein: Es geht darum, das vorzeitige Ausscheiden in der Vorrunde zu vermeiden; es gilt, Ghana im letzten WM-Gruppenspiel am Mittwoch in Johannesburg (20.30 Uhr, ARD, sky) zu besiegen. Für Joachim Löw und den Trainerstab geht es schlicht um den Fortbestand ihrer Jobs.
Was die Glücksbringer und gewohnten Abläufe betrifft, muss man nicht mal abergläubisch sein, es tut einfach gut. Und daher hat sich Hans-Dieter Hermann, der Team-Psychologe, in den letzten Tagen im Teamhotel „Velmore Grande" im Hintergrund gehalten. „Den Druck merkt man der Mannschaft nicht an, es ist für viele Spieler ja eine Normalität, so ein Spiel zu bestreiten", sagte Hermann und erklärte, wie er zuletzt auf die Spieler zugegangen sei: „Das beschränkt sich darauf, dass ich mit einzelnen Spielern spreche über das, was kommt und was sie speziell vorhaben. Es ist business as usual, denn die Mannschaft weiß, was sie kann. Wir machen uns wenig Sorgen. Man merkt, dass jetzt noch fünf Prozent mehr Konzentration dazukommen, eine Nervosität habe ich nicht ausmachen können.“
Den Ablauf am Spieltag hat Löw nicht verändert, „ganz normal“, sagte der 50-Jährige. Da sind Spieler sensibel. Ein entscheidendes Spiel um das Weiterkommen bei einer WM, für manche der Karriere-Höhepunkt, soll in der Vorbereitung und im Ablauf nichts anderes sein als ein Bundesligaspiel gegen den VfL Bochum.
Konzentration ja, Ablenkung durch besondere Maßnahmen nein. Monotonie hilft, dazu kommen die persönlichen Rituale, die Kraft geben. Der Psychologe Hermann bekräftigt die Spieler, diese Rituale auch in Südafrika durchzuziehen, „das gibt Halt“.
Am offensichtlichsten für die Zuschauer: der Kreis, in dem sich die Mannschaft vor dem Anpfiff versammelt. Eine letzte Ansprache von Kapitän Lahm, ein letztes Anfeuern. „Ich will das, ich brauche das", sagte Lahm, „das gibt nochmal einen Ruck, dass man sagt: Jetzt gehen wir raus, und als Mannschaft schlagen wir den Gegner."
Darüber hinaus hat jeder Spieler seinen Spleen, seine ganz persönliche Macke. Bastian Schweinsteiger etwa: „Bei der Nationalmannschaft komme ich immer als Letzter aus dem Bus und gehe immer als Letzter aufs Spielfeld. Und ich trage immer die weißen Schuhe: Wenn ich runter schaue und ich sehe weiße Schuhe, dann fühle ich mich wohl." Und drittens: „Ich schieße bei jedem Aufwärmen immer erst in die rechte Ecke, von mir aus gesehen.“
Ob generelle Sportler-Rituale wie etwa bei Per Mertesacker („Wer rasiert, verliert! Das bedeutet, dass ich mich nie am Spieltag rasiere“) oder kleine Neurosen wie bei Keeper Manuel Neuer („Wenn ich auf den Platz gehe, unmittelbar vor Anpfiff, berühre ich jeweils die Pfosten und die Latte einmal, das tut mir einfach ein bisschen gut“) – wichtig ist nur der Glaube, dass es hilft.
Mesut Özil betet vor dem Anpfiff in der Kabine. Lukas Podolski berührt seinen ganz persönlichen Glücksbringer, ein Schnuller im Design seines Vereins 1. FC Köln: „Den hat mir mein Sohn Louis mitgegeben.“ Im Spiel darf er ihn nicht bei sich tragen, genau so wenig wie das lederne Armband in schwarz-rot-gold, das Oliver Bierhoff an alle vor Turnierbeginn ausgegeben hat. Ein Stück Leder als 12. Mann.
Patrick Strasser