Abwehr-Alarm bei der DFB-Elf: So will Nagelsmann die Defensive umbauen

Herzogenaurach - Die böse Kunde kam am Montagvormittag, übermittelt vom DFB am Rande des Spieler-Ersatztrainings im Team-Quartier in Herzogenaurach. Antonio Rüdiger zog sich beim 1:1 am letzten EM-Vorrundenspieltag gegen die Schweiz eine Muskelzerrung an der Rückseite des rechten Oberschenkels zu. Bereits in der Schlussphase der Partie war zu erkennen, dass der Champions-League-Sieger mit Real Madrid angeschlagen war, unter Schmerzen weiterspielte. Mitspieler wie Niclas Füllkrug fragten bei Rüdiger besorgt nach, was los sei.
Rüdiger und Tah: Ein Unglück kommt selten allein
Damit ist der Einsatz des 31-jährigen Innenverteidigers im Achtelfinale am Samstag in Dortmund fraglich bis sehr unwahrscheinlich. Ein dicker Wermutstropfen auf den Gruppensieg, ein echter Rückschlag und eine knifflige Aufgabe für Bundestrainer Julian Nagelsmann.
Denn: Ein Unglück kommt selten allein. Auch der zweite Stamm-Innenverteidiger Jonathan Tah (28) von Bayer Leverkusen fehlt im nächsten Spiel – und das definitiv wegen seiner zweiten Gelben Karte, die er gegen die Schweiz sah. Erstmals ist Nagelsmann nun also gezwungen, seine Startelf zu verändern. Ausgerechnet in einem der sensibelsten Bereiche, der Abwehrmitte. Torhüter Manuel Neuer muss sich auf neue Vorderleute abstimmen. Immerhin hat das DFB-Team nach dem freien Tag am Dienstag ab Mittwoch drei Tage Zeit für das Feintuning im Training.
"Wir haben Vertrauen in den ganzen Kader"
Aber mit wem? "Wir haben Vertrauen in den ganzen Kader", sagte Nagelsmann am späten Sonntagabend in Frankfurt wohl schon mit einer gewissen Vorahnung. Gegen die Schweiz hatte der 36-Jährige den bereits mit einer Gelben Karte vorbelasteten Tah aufgestellt, aber nach einer Stunde sicherheitshalber für Nico Schlotterbeck ausgewechselt. Der Dortmunder machte seine Sache ordentlich bis gut bei seinem ersten EM-Einsatz. Also gilt der 24-Jährige auch als erster Ersatz für Tah im Achtelfinale.

"Schlotti hat es gut gemacht, er musste sehr viel Raum verteidigen", lobte Nagelsmann den Linksfuß, meinte aber dann mit Blick auf Waldemar Anton (27): "Nico und Waldi haben ein Duell. Beide haben es verdient, weil sie es gut machen. Waldi trainiert herausragend gut. Er hätte schon längst einen Einsatz verdient." Von Robin Koch (27/Eintracht Frankfurt), aktuell die Nummer fünf im Innenverteidiger-Ranking war dagegen nicht die Rede.
BVB zieht bei Anton die Austiegsklausel
Anton und Schlotterbeck also möglicherweise gegen Bayerns Top-Stürmer Harry Kane und Jude Bellingham (Real Madrid), falls England Zweiter der Gruppe C wird? Oder ein, zwei Qualitätsstufen drunter, gegen die Dänen Jonas Wind (Wolfsburg) und Rasmus Hojlund (Manchester United)? Auch das serbische Duo Aleksandar Mitrovic & Dusan Vlahovic ist ebenso nicht zu verachten wie die Slowenen mit Benjamin Sesko (RB Leipzig) und Andraz Sporar.
Da kommt was zu auf die künftigen Teamkollegen in Schwarz-Gelb. Anton, zuletzt Kapitän des Vizemeisters VfB Stuttgart, steht vor einem Wechsel zu Champions-League-Finalist Borussia Dortmund – und entschied sich damit gegen das Angebot von Meister Bayer Leverkusen. Der BVB zog die im Vertrag verankerte Ausstiegsklausel in Höhe von rund 22,5 Millionen Euro.
Für Anton wird das EM-Achtelfinale das wohl größte Spiel seiner Karriere, der dritte Länderspiel-Einsatz überhaupt und der zweite von Beginn an nach dem 0:0 im Test vor drei Wochen in Nürnberg gegen die Ukraine. In der U21 hatte der in der ehemaligen Sowjetunion Usbekistan als Sohn russlanddeutscher Eltern geborene Anton elf Partien bestritten. Seine Eltern kamen als Spätaussiedler nach Deutschland, begannen im hannoverschen Stadtteil Mühlenberg ein neues Leben. Fortan wurde aus dem zweisprachig aufgewachsenen Wladimir der Waldemar.