54er-Weltmeister Pfaff ist tot
FRANKFURT - Im Alter von 82 Jahren verstirbt "Don Alfredo" in Frankfurt. jetzt leben nur noch fünf Spieler der legendären "Helden von Bern".
Alfred Pfaff war einer der wenigen Deutschen, den die Partystimmung während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nicht angesteckt und mitgerissen hatte. Das hatte mehrere Gründe. Die Welle der nationalen Begeisterung war offenbar nicht bis ins Morretal geschwappt. Das idyllische 50-Seelen-Dorf Zittenfelden liegt zwar nicht am Ende der Welt, aber versteckt im tiefsten Odenwald. Was ungefähr dasselbe ist. In diesen abgelegenen Flecken unweit des Barockstädtchens Amorbach hatte sich die Frankfurter Fußball-Legende vor über vierzig Jahren mit Frau Edith und Sohn Alfred junior aus der lärmenden Mainmetropole zurückgezogen, das Lokal an der Hauptwache aufgegeben und den "Gasthof mit Pension Morretal" eröffnet.
Schon dieser Umzug charakterisiert den Mann: Er war zeitlebens ein ruhiger, bescheidener, zurückgezogener Mensch geblieben, mochte keine lauten Töne und schon gar kein Tamtam um seine Person. Er hatte sich seine nüchterne Art und kritische Distanz zum Fußball seiner Enkel stets bewahrt. "Wir haben anders Fußball gespielt. Aber sie spielen heute auch ganz ordentlich und haben ja auch gut abgeschnitten." Das war aus dem Mund Alfred Pfaffs schon eine Lobeshymne auf Jürgen Klinsmanns Mannschaft und den dritten Platz. Hier sprach die Weisheit des Alters und das eigene Erlebnis des immer noch ruhmreichsten Ereignisses der deutschen Fußball-Geschichte, das "Wunder von Bern". Alfred Pfaff war dabei.
Alfred Pfaff wird nicht mehr dabei, wann am 28.Juni 2009 die SG Eintracht Frankfurt das 50.Jubiläum ihrer einzigen deutschen Meisterschaft feiert, den 5:3-Sieg nach Verlängerung im aufregendsten Endspiel der Nachkriegsgeschichte gegen den Nachbarn und Rivalen Kickers Offenbach im Berliner Olympia-Mannschaft. Alfred Pfaff, der Kapitän jener legendären Mannschaft, ist in der Nacht zum Samstag im Alter von 82 Jahren gestorben.
Alfred Pfaff war in der Nationalmannschaft Fritz Walters Stellvertreter als genialer Spielmacher. Er nahm den "Opfergang" gegen Ungarn auf sich, jene 3:8-Niederlage gegen den haushohen Favoriten, die zur Strategie des schlauen Fuchses Herberger gehörte und letztlich zum 3:2-Triumph im Endspiel gegen dieselben Ungarn beitrug. Vom 22er WM-Kader 1954 leben nach Pfaffs Tod nun nur noch fünf Spieler: Die Finalisten Ottmar Walter (84), Hans Schäfer (80) und Horst Eckel (76) sowie Uli Biesinger (75) und Herbert Erhardt (78), beide ohne WM-Einsatz.
Alfred Pfaff war immer Wirt und war es bis zuletzt. Zwar führte sein Sohn den Familienbetrieb. Aber der Senior half immer noch aus. Noch immer kommen Gäste aus Frankfurt. "Wegen dem Alfred", sagte seine Frau Edith noch vor kurzem. Wenn viel Betrieb war, sagte Alfred Pfaff Einladungen zu Fußballspielen ab. "Ich habe keine Zeit." Das war während der WM 2006 so und schon zu seiner aktiven Zeit nicht anders, als er Herberger einen Korb gab. Unvorstellbar heute, dass ein Fußballspieler aus beruflichen Gründen ein Länderspiel absagt. Unabkömmlich wegen des Lokals. Schließlich verdiente Alfred Pfaff den Lebens- und Familienunterhalt einst nicht mit Fußball. 190 Mark im Monat, 1000 Mark Prämie für die deutsche Meisterschaft 1959 von der Eintracht waren allenfalls Taschengeld.
Nur ein großes Foto von der 59er Meistermannschaft über dem Stammtisch der Gaststube erinnern daran, dass Alfred Pfaff nicht nur Gastronom, sondern vor allem eines war: Ein gottbegnadeter Fußballspieler. Alle anderen Andenken an seine große Karriere hat das Hochwasser der Morre vor zwölf Jahren vernichtet. Geblieben aber ist das Vermächtnis einer großen, ereignisreichen Karriere: Der WM-Triumph 1954, das DM-Endspiel 1959, das denkwürdige Glasgower Finale der Eintracht im Europapokal der Landesmeister 1960 gegen Real Madrid (3:7), das das berauschendste aller Endspiele in der Geschichte dieses Wettbewerbs geblieben ist. Pfaffs Pendant bei Real hieß Alfredo di Stefano, gerade mal zwölf Tage älter, dem er seinen ehrenvollen Spitznamen verdankt: Don Alfredo.
Wenn der Kapitän der Eintracht als umsichtiger Spielgestalter auf halblinks nur siebenmal für Deutschland spielte, hatte das nicht nur mit dem Lokal, sondern vor allem mit Fritz Walter zu tun, der seine Position blockierte. "Wir waren dennoch gute Freunde", pflegte Alfred Pfaff immer wieder zu betonen. Wenn er Fritz Walter vertrat, dann auch gleich als Kapitän, Ausdruck seiner der hohen Wertschätzung Herbergers.
Hartmut Scherzer