50 Jahre Beate, 3 Monate Hertha
Berlin - Otto Rehhagel wäre nicht Otto Rehhagel, wenn er erstens nicht so unterhaltsam wäre und zweitens nicht ständig in diesem belehrenden Duktus sprechen würde. Das ist er. Otto is back.
Bei seiner Vorstellung am Sonntagmittag im Pressekonferenzraum von Hertha BSC hatte er wieder einmal die ganz große Bühne: 50 Journalisten und 15 Kamerateams. Also sprach Rehhagel: „Ich rede nur noch über Fußball.” Ausnahmen bestätigen den Rehhagel. Er begann mit einem Zitat eines Künstlers, der ihm entfallen war. Nun gut, diese Weisheit ist nicht exklusiv. „Ein Leben ist viel zu kurz. Daher will ich, so lange ich lebe, Spannung haben.”
Die bekommt er. 12 Spiele bleiben dem 73-Jährigen, um die Berliner nach dem Wiederaufstieg 2011 vor dem direkten Wiederabstieg 2012 zu retten. Rehhagel, der Feuerwehrmann – wie zu alten Zeiten, als er in den 70er Jahren als Trainernovize die Bundesliga aufmischte. Nun will er seine „unglaubliche Erfahrung” einbringen. Mit Werder Bremen (1981-95) erlebte er eine goldene Ära, bei Bayern scheiterte er 1995/96 kläglich. Mit einer Einschränkung: „Ich kann keine Tore schießen.” Die Rhetorik ist seine Sache. Motivation seine Kunstform. Und Fußball auch nur Theater, die Parallelwelt des Essener Jungen. Er weiß: „Man muss das ganze Leben dazulernen.”
Sein Kumpel Jürgen Flimm, der Direktor der Staatsoper, habe sich Freude – aber die Kunst muss warten, selbst in der Kulturhauptstadt. „Der Fußballplatz, die Geschäftsstelle, mein Hotel und ein Café – das sind die vier Orte, an denen ich mich in den nächsten Wochen aufhalten werde.”
Für die Mission Klassenerhalt, das ist das Ziel. Seine Frau Beate habe er gefragt, seinen Sohn Jens, mittlerweile Jugendkoordinator bei Hannover 96, dann eine Nacht drüber geschlafen – und zugesagt. „Ein Mann, ein Wort.” Ein Rehhagel. Drei Monate Hertha, 50 Jahre Beate. „Ich führe eine glückliche Ehe. Im nächsten Jahr bin ich 50 Jahre mit Beate verheiratet”, merkte er an. Von wegen nur Fußball. „Das ist jetzt aber mal einen Beifall wert”, meinte er zu den Reportern. Zurück kamen jedoch nur Fragen.
„Es wird eine schwierige, schwierige Aufgabe”, sagte der Auftragsretter einen Tag nach dem 0:1 der Hertha gegen Borussia Dortmund. „Wir werden das schaffen, aber nur gemeinsam.” Gemeinsam heißt: In der Ottokratie. Seine Kurzbeschreibung lieferte er via „BamS”: „Noch ist das Hertha-Schiff nicht untergegangen, es hat aber ein großes Leck. Ab Montag bin ich das Gesetz, alle hören auf mein Kommando. Ich habe immer das letzte Wort, bin ab jetzt Tag und Nacht für Hertha da – und zwar immer pünktlich. Ich bin ein Vorreiter und erwarte Ordnung und Disziplin. Ich bin ein Preuße. Oder auch ein demokratischer Diktator.”
Am Dienstag leitet er das erste Training, am Samstag geht es mit seinen „Jungs”, wie er die Spieler nennt, zum FC Augsburg. Die Wende muss her für Hertha nach elf sieglosen Partien. „Wir müssen den Bann brechen”, sagte er. Auf dezente Nachfragen wegen seines hohen Alters – nur Fred Schulz war 1977/78 als Trainer bei Werder Bremen älter – sprudelte es aus Rehhagel heraus: „Ich kenne mich aus. Ich bin gesund, ich bin fit, ich weiß, was hier gefragt ist: Attack, Attack – go!”