3:0 – aber sowas macht Jogi narrisch
Grausame erste Halbzeit der DFB-Elf beim EM-Test in Wien. Jogis Jungs lassen sich von der Nummer 90 der Weltrangliste vorführen. Doch dann bekommt Österreich die Tore, die es in den ersten 45 Minuten nicht schießt.
WIEN So nah waren sie dran an ihrem Klein-Cordoba. Ganz nah. Roland Linz hätte nur mal etwas präziser lupfen müssen, Martin Harnik nur mal ein Stückchen tiefer unter die Latte köpfen müssen, Jens Lehmann vielleicht noch etwas öfter danebengreifen oder -rennen müssen. Dann wäre dieses Spiel nicht 3:0 ausgegangen für Deutschland. Dann wäre Deutschland gestern Abend im Wiener Ernst- Happel-Stadion mal so richtig vorgeführt worden. Von Österreich.
Stattdessen konnten die Nationalspieler um den zurückgekehrten Capitano Michael Ballack einen – vom Ergebnis her – gelungenen Länderspielauftakt im EM-Jahr feiern. 3:0 gewann die DFB-Truppe. Das klingt zunächst gut. Aber in der ersten Halbzeit war das Team vorgeführt und blamiert worden. „Das war mit großem Abstand das schlechteste Spiel der Deutschen, seit Joachim Löw Bundestrainer ist“, analysierte Günter Netzer in der Pause.
Lustlos und selbstgefällig
Denn so pomadig, so unbeweglich, so lustlos und selbstgefällig wie in den ersten 45 Minuten hatte man die deutsche Nationalmannschaft nicht mehr gesehen, seit am Sommermärchen gebastelt wurde. Torhüter Jens Lehmann zeigte diverse Unsicherheiten (siehe auch nächste Seite), Michael Ballack fehlte bei seinem Nationalelf-Debüt nach elf Monaten Pause wegen einer Verletzung noch die Bindung zum Spiel. Und Stürmer Miroslav Klose hatte fast so wenige Ballkontakte wie Österreichs Keeper Alex Manninger, der in Halbzeit eins kein einziges Mal ernsthaft geprüft wurde.
Heiko Westermann, der 15. Debütant in der Ära von Bundestrainer Jogi Löw, ließ sich immer wieder von den Ösi-Stürmern Linz und Harnik überlaufen. Doch die Österreicher blieben im Abschluss ohne Fortune. So wie in Minute 22, als der Schuss von Ex-Löwe Linz nach einem bösen Patzer von Lehmann kurz vor der Linie noch abgefangen wurde von Manuel Friedrich. Oder als der Bremer Nachwuchsstürmer Martin Harnik im Anschluss per Kopfball nur die Latte traf. Oder als Christian Fuchs alleine vor Lehmann die Nerven versagten (29.). Oder wie noch einmal Roland Linz, dessen schöner Lupfer knapp am Tor vorbeiflog (40.).
Laser-Attacke gegen Schneider
In der ersten Halbzeit rückte vor allem ein deutscher Kicker in den Blickpunkt: Bernd Schneider – als ihn vor der Ausführung eines Freistoßes ein Zuschauer mit einem Laser-Pointer zu blenden versuchte. Netzer harsch: „Heute ist alles schlecht bei den Deutschen. Das kann sich Löw nicht gefallen lassen.“
Tatsächlich machten die Stars Jogi Löw narrisch. Der Trainer tobte an der Seitenlinie, warf vor Wut sogar seine Wasserflasche fort. Erst in Halbzeit zwei waren die Dusel-Deutschen plötzlich deutlich aktiver. Und nachdem der Österreicher Joachim Standfest kurz nach Wiederanpfiff Lehmann mit einem Distanzschuss wieder mal ins Schwitzen gebracht hatte, lag der Ball plötzlich im Tor. Im österreichischen. Thomas Hitzlsperger brachte Deutschland per Distanzschuss in Führung.
Und natürlich traf gleich im Gegenzug Roland Linz – nicht. Dieses Mal ging sein Nachschuss ans Außennetz; Lehmann hatte Harniks Schuss zuvor nur abprallen lassen.
Als Nummer 90 der Weltrangliste bei der EM
Und dann waren die Österreicher, die 2007 gerade mal ein Spiel gewonnen hatten, endgültig geschlagen. Mal wieder. Sie gaben sich auf, wurden zudem müder. Und Deutschland machte es dann doch noch standesgemäß gegen die auf dem Papier schlechteste Mannschaft, die je bei einer EM dabei sein darf: Österreich ist nur Weltranglisten- 90.
Klose traf nach einer schönen Flanke von Ballack zum 2:0 (63.), später erhöhte der eingewechselte Mario Gomez noch zum 3:0. Auf Vorlage von Lukas Podolski, der auch eine halbe Stunde mitmachen durfte.
Patrick Strasser