2014 nur Klose - wer früher stürmte

Fußball-Deutschland diskutiert, ob der 35-Jährige als einziger Stoßstürmer reicht, um Weltmeister zu werden. Die AZ zeigt, wie es in den drei Titeljahren 1954, 1974 und 1990 war – und was Experten sagen.
von  Patrick Strasser

MÜNCHEN Vier Strafraumstürmer! Ja, wirklich vier! Miroslav Klose, Mario Gomez, Cacau und – ja, tatsächlich – Stefan Kießling hatte Bundestrainer Joachim Löw für die letzte WM, das Turnier 2010 in Südafrika nominiert. Bei „fussballdaten.de“ (siehe Auflistung aller deutschen WM-Stürmer seit 1954 unten) wird auch Lukas Podolski als Stürmer geführt. Thomas Müller dagegen nicht. Dabei wurde der Sensationskicker dieser WM mit fünf Treffern sogar Torschützenkönig.

Und diesmal? Es gibt nur ein’ Miro Klose. Einen Strafraumstürmer. Klar, Müller und Podolski sind auch dabei. Dazu ganz viele falsche Neuner: Mario Götze, Mesut Özil oder Flügelstürmer wie André Schürrle oder Marco Reus – lediglich halbscharige Angreifer.

Löw geht Risiko, sortierte am letzten Tag noch Kevin Volland (21/Hoffenheim) aus. Auf Gomez (28/Florenz) musste er wegen Verletzung verzichten, die Alternativen Kießling (30/Leverkusen) oder Kruse (26/Gladbach) kamen für den Bundestrainer entweder aus Prinzip oder wegen disziplinarischer Vergehen nicht infrage. Heißt: Klose ist in Brasilien allein zu Haus – in seinem Revier, dem Strafraum. Klose, der am Montag 36 Jahre alt wird, spielt seine vierte WM. Seinen Körper bezeichnet der Lazio-Stürmer spaßeshalber als „Kadaver“, tatsächlich ist er verletzungsanfällig, konnte im letzten Test gegen Kamerun (2:2) nicht eingesetzt werden.

Aber: Reicht ein – nicht ganz fitter – Klose, um Weltmeister zu werden? Bei allen Turnieren war Deutschland auch Mittelstürmerland. Löw sagt cool: „In der Offensive mache ich mir am wenigsten Sorgen.“ Und: „Miro hat immer wieder bewiesen, dass er auf den Punkt fit ist.“ Stimmt. Seine WM-Quote ist grandios: Für 14 Treffer benötigte er gerade einmal 19 Spiele. In Brasilien kann Klose Ronaldos Rekord (15 WM-Tore) einstellen.

Doch wie war es früher, bei den drei WM-Triumphen der Deutschen? 1954 in der Schweiz ließ Sepp Herberger das WM-System spielen, ein 3-2-5 mit einem Mittelstürmer (Ottmar Walter) zwei auf Außen (Rahn rechts, Schäfer links) und zwei Halbstürmern (Morlock und Fritz Walter). 1974 in Deutschland stand Gerd Müller, der legendäre „Bomber“, vorne drin, über rechts kam Grabowski, über links Hölzenbein, ein 4-3-3 von Bundestrainer Schön mit Libero. 1990 in Italien siegte die Beckenbauer-Truppe im 5-3-2-System mit dem Sturmduo Klinsmann/Völler, als Joker hatte man noch Riedle auf der Bank. Einst fünf Stürmer, dann drei, später zwei – nun nur noch einer.

Doch wird Klose überhaupt eingesetzt? Lässt Löw nicht ähnlich wie Pep Guardiola beim FC Bayern ohne echten Strafraumstürmer (also mit Götze statt Mandzukic) angreifen? „Wir sind ziemlich variabel vorne, müssen aufgrund dieses Kaders nicht in Tränen ausbrechen“, sagt Horst Hrubesch der AZ. Der U-21-Nationaltrainer, früher der Prototyp des Mittelstürmers (Spitzname Kopfballungeheuer) meint: „Natürlich fehlt neben Miro ein Brechertyp, aber wenn es eng wird, stellst du den Khedira oder den Mertesacker als kantige Spieler vorne rein. Ich hoffe nur, dass unsere Mannschaft in Brasilien nicht in die Bredouille kommt und die Spiele rechtzeitig entscheidet.“ Per Passkombination.

„Es wäre gut gewesen, noch einen wie Kießling mitzunehmen“, sagt Klaus Fischer der AZ, ebenfalls einst Mittelstürmer, „ich wünsche uns allen und vor allem Klose selbst, dass er fit wird. Er ist eben schon 35 und nicht mehr 25. Eine kompakte Abwehr muss man mit Flanken über außen knacken, dazu braucht es eben einen kopfballstarken Mittelstürmer.“

Am Ende muss einer den Kopf hinhalten: Löw.

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.