Fury gegen Chisora: Geld und dunkle Zeiten

London - Eigentlich wollte Tyson Fury dem Box-Ring für alle Zeiten den Rücken kehren, die neue Leichtigkeit des Seins und sein Rentner-Leben genießen. Doch zum zweiten Mal in seinem so turbulenten Leben musste er die bittere Erfahrung machen, dass er einfach nicht kann ohne den ständigen Kampf, das ständige Kräftemessen, die ständige Routine, die seinen Körper auspowert und seinen Kopf, der immer wieder zu schweren Depressionen neigt, von den dunklen Gedanken befreit.
WBC-Weltmeister Fury: "Ich habe nichts anderes"
So kehrt WBC-Weltmeister Fury, der nach seinem Sieg über Dillian Whyte im April die Boxhandschuhe an den berühmten Nagel gehängt hatte, wieder zurück. Nicht, weil er will. Nein, weil er muss. Es ist keine Liebes-Beziehung mehr, es ist eine Liaison, die aus Not, aus inneren Zwängen fortgesetzt wird. "Mein Herz steckt nicht mehr im Boxen, aber ich habe nichts anderes", sagte der 34-Jährige vor dem finalen Teil seiner Kampf-Trilogie (Bildplus überträgt den Kampfabend in London am Samstag ab 18 Uhr) gegen seinen britischen Landsmann Dereck Chisora den er schon zwei Mal besiegt hat (2011, 2014):

"Ich bin wie ein alter, klapperiger Ford Escort mit 250.000 Meilen auf dem Tacho. Jedes Teil ist schon komplett verbeult", sagte Fury. Und über Chisora, der 2012 in München gegen den damaligen Weltmeister Vitali Klitschko über die Runden ging, meinte er: "Er wird brutale Gewalt bringen. Er hat einen Kopf wie ein Ziegelstein. Auf den kann man endlos einschlagen, und er geht weiter nach vorn. Ein Kampf mit Chisora ist wie ein Krieg, daher sein Spitzname ,War'."
Alkohol, Drogen, Depressionen, extreme Gewichtsprobleme - all das begleitet Fury seine Karriere, teilweise sein Leben lang. Als er im Frühjahr zurückgetreten war, dachte er, er hätte seine Dämonen, die quälenden Geister im Kopf, in der Seele zum Schweigen gebracht. Doch sie hatten nur darauf gewartet, bis Fury sich Ruhe gönnen wollte und so für sie wieder angreifbar und besiegbar war.
Härtester Gegner: die Depression
Da waren sie plötzlich wieder: die Depressionen. Sie hatten Fury nach seinem Titelgewinn im Jahr 2015 gegen den damals als fast unbesiegbar geltenden Schwergewichts-Dominator Wladimir Klitschko, in die Knie und fast in den Selbstmord getrieben. "Ich spürte, ich bin auf dem gleichen Weg ins Verderben wie damals", gestand Tyson allen anderen - aber vor allem sich selbst - ein.

"Ohne Boxen geht es bei mir abwärts, das ist die traurige Wahrheit", sagte der in 33 Profikämpfen unbezwungene 2,09-m-Hüne: "Es gibt keine sportlichen Gründe mehr, um weiterzuboxen. Ich bin der einzige Mann, der mich schlagen kann. So wie ich das Schwergewicht beherrsche, kann ich machen, was ich will."
Nebenbei das gute Geld
Er macht, was er will, aber vor allem, was er muss. Den Auftritt lässt er sich mit einer Gage von mindestens 25 Millionen Dollar versüßen, mit seinen Anteilen an den TV-Erträgen können es am Ende 35 Millionen werden. "Ich brauche das Geld nicht, aber: Ich riskiere jedes Mal meine Gesundheit, mein Leben, wenn ich in den Ring steige. Das muss honoriert werden", sagte Fury, der für den Kampf jetzt 50 Tage auf jede sexuelle Aktivität verzichtet hat, damit er voller Testosteron ist: "Ich will so stark sein, wie möglich. Ich gebe alles, denn jeder Tag kann mein letzter sein."
Damit meinte er nicht in erster Linie die Gefahren, die der Boxsport mit sich bringt. Er meinte die Gefahr, die Tyson Fury für Tyson Fury darstellt. "Kein Gegner hat mir je so zugesetzt, wie die Depressionen. Kein Mensch macht mir Angst, aber diese Dunkelheit, die ich hatte, die ist ein Feind, der dich zerstört. Leise. Unsichtbar. Hinterhältig. Ich wollte nur, dass das alles vorbei ist. Egal wie", sagte Tyson über die dunkelste Zeit in seinem Leben, die er weiter und immer in sich trägt.