Furchtbar, witzlos, antiquiert
Ein über weite Strecken geradezu Mitleid erregendes Gekicke findet dank einer Leistungssteigerung der «Tre-Kroners» doch noch einen verdienten Sieger. Die Griechen werden sich steigern müssen, um ihre Ziele zu verwirklichen.
Otto Rehhagel ist nach Österreich gekommen, um noch einmal Geschichte zu schreiben. Wie 2004, als seine Griechen den Sensations- Coup schafften und in Portugal Europameister wurden. Das hatte ihnen keiner zugetraut. Höchstens Rehhagel selbst. Schließlich findet der sich längst selbst historisch. Bei dieser EM sagte er: „Ich bin jetzt seit sieben Jahren hier. Das ist Rekord. Das hat keiner geschafft und wird nach mir keiner schaffen.“
Schade bloß, dass von solchem Selbstvertrauen im Spiel seiner Mannschaft nichts zu sehen war am Dienstagabend. Die Titelverteidiger (mit sieben EM-Helden von 2004 in der Anfangself) verloren in Salzburg nach einer desaströsen Leistung 0:2 gegen Schweden: Harmlos vor dem Tor, ohne Witz im Spielaufbau. Und mit einem antiquierten System. Dellas gab quasi einen Libero vor der Abwehr, und der Frankfurter Kyrgiakos nahm Schweden-Star Zlatan Ibrahimovic in sture Manndeckung. Fußball zum Abgewöhnen.
„Es ist ja so furchtbar"
Schon zur Halbzeit stöhnte ARD-Experte und Fußball- Schöngeist Günter Netzer genervt: „Es ist ja so furchtbar, es ist ja so furchtbar! Ich bin entsetzt, was da geboten wird.“ Netzer dann höhnisch: „Ich muss so langsam sprechen – wie die spielen!“
Wenigstens fielen später noch Tore. Für die Schweden: Ibrahimovic traf in der 67. Minute mit einem wuchtigen Schuss ins lange Eck zum 1:0. Fünf Minuten später markierte Petter Hansson unter gütiger Mithilfe des indisponierten Griechen-Keepers Nikopolidis (er irrte durch den Strafraum) und Verteidiger Seitardis aus einem Meter das 2:0. Ein bizarres Billard-Tor.
Alles-oder-nichts-Spiel für Rehhagel
Die EM – wird sie für die Griechen nur zu einem Kurz-Auftritt? Das Duell gegen die ebenfalls noch sieglosen Russen (Sa., 20.45 Uhr, ZDF) wird für Rehhagel schon zum Alles-oder-nichts-Spiel. Dabei wollte Rehhagel bei der EM doch noch einmal angreifen. Vor kurzem hatte der 69-jährige Trainer-Oldie noch seinen Vertrag bei den Griechen bis 2010 verlängert. Ob Rehhagel – sollte Griechenland vorzeitig bei der EM ausscheiden – allerdings noch einmal die Kraft hat, seine Truppe für die WM 2010 in Südafrika zu motivieren?
Zumindest Netzer glaubt an die Motivationskünste des gelernten Anstreichers: „Fußball ist sein Leben, das ist wie eine positive Droge.“ Nur ein einziges Mal in seiner Karriere hat Rehhagel einen Horrortrip erwischt. 1996 wurde er beim FC Bayern nach zehn Monaten gefeuert. Auch weil er oft Probleme mit den Stars hatte, wie etwa mit Mehmet Scholl. Der ist jetzt TV-Experte. Und sagte Scholl gestern in der ARD: „Otto Rehhagel und ich hatten damals auch so unsere Probleme miteinander. Ich war ziemlich aufmüpfig, frech und unverschämt. Das tut mir heute leid. Otto Rehhagel hat das damals aber genommen wie ein Vater.“
Diese Entschuldigung war noch das Beste für Rehhagel an diesem tristen Abend. Das Spiel jedenfalls, so urteilte Netzer hinterher,war „eines Europameisters nicht würdig. Selbst wenn Otto mir die Freundschaft kündigt: Das ist antiquierter Fußball, nicht mehr zeitgemäß.“ Wenn das seine Taktik war, auf ein 1:0 gegen Schweden zu hoffen, wie will er dann erst gegen Spanien oder Russland spielen, die viel stärker sind als die Schweden.“ Autsch.
Sogar aus der eigenen Mannschaft bekam Rehhagel Kontra. Frankfurt-Profi Ioannis Amanatidis kritisierte Rehhagels Taktik: „Wenn wir immer nur hinten stehen und immer einen Schritt nach hinten machen, kann man kein Spiel gewinnen. Das war Angstfußball! so kann man nicht bestehen!“ Klingt nach noch mehr Ärger für Rehhagel.
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