Servus, Severin! Freund beendet seine große Karriere

Wer kann schon sagen, dass er in den letzten Sekunden seiner Karriere nochmal 215 Meter weit durch die Luft gesegelt ist? 14 Grad, Sonne satt, ein laues Frühlingslüftchen, Blick auf die dekorative Kulisse der Julischen Alpen – es gibt wahrlich schlimmere Plätze, um ein Sportlerleben hinter sich zu lassen. Weniger prosaisch gesagt: Nach dem 28. Rang beim Weltcup in Planica ist Severin Freund kein Skispringer mehr.
Als alles vorbei war, saß er lachend auf den Schultern der Betreuer und winkte mit der Deutschland-Fahne um den Hals ins Publikum. Auf dem Trainerpodest erhoben sich alle Coaches für einen Großen der Skisprung-Welt: Beim Weltcup-Finale in Planica hat sich der erfolgreichste DSV-Adler der vergangenen 20 Jahre in den Ruhestand verabschiedet.
Nicht nur sportlich hinterlässt der Olympiasieger und Weltmeister eine Lücke.
Freund: "Bin wahnsinnig dankbar"
"Es ist unheimlich schön, hier zu stehen und sagen zu können: Ich bin unglaublich zufrieden, es war eine wunderschöne Zeit", sagte der 33-Jährige, "ich bin wahnsinnig dankbar. Es waren Momente dabei, die wie im Traum gewesen sind, ein Stück weit unwirklich." Dass Freund zurücktreten könnte, war nicht auszuschließen gewesen, die Kurzfristigkeit des Entschlusses überraschte dann doch.
"Erst als die Fragen gekommen sind, wie es mit mir denn weitergeht, vor allem nach Oberstdorf in der Vorwoche, sind die Gedanken stärker geworden", sagte der Niederbayer auch mit dem Blick auf den Rücktritt seines Weggefährten Richard Freitag acht Tage zuvor: "Ich habe überlegt, was das nächste Ziel ist, und mir ist kein klares eingefallen." Die Teamkollegen reagierten tief bewegt. "Er war viele Jahre mein Vorbild, ich habe unglaublich viel von ihm lernen können", sagte Karl Geiger.
Auch Markus Eisenbichler musste "ein paar Tränen verdrücken. Ich war mit Severin schon im Internat. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin". Und Bundestrainer Stefan Horngacher meinte: "Er hat vorgelebt, wie man als Spitzensportler sein muss."
Severin Freund beendet Karriere: Beeindruckende Sportler-Vita
Freunds Sportler-Vita liest sich beeindruckend: 22 Weltcupsiege, nur Jens Weißflog (33) und Martin Schmitt (28) haben unter den deutschen Springern mehr. 2014 wurde Freund in Sotschi Team-Olympiasieger und Skiflug-Weltmeister. Ein Jahr später seine beste Saison, als er bei der WM im schwedischen Falun zweimal Gold holte und in einem denkwürdigen Finale als bislang letzter Deutscher den Gesamtweltcup vor dem punktgleichen Slowenen Peter Prevc gewann.
Nur der Vierschanzentournee-Sieg gelang auch ihm – wie jedem DSV-Adler seit nunmehr 20 Jahren – nicht.
In Erinnerung wird zudem sein Comeback nach schweren Verletzungen bleiben. Nach zwei Kreuzbandrissen im Jahr 2017 kämpfte er sich zurück ins Weltcup-Team, erreichte nicht mehr die alte Stärke, feierte aber noch späte Erfolge: 2021 wurde Freund in Oberstdorf Team-Weltmeister, vor zwei Wochen gewann er bei der Skiflug-WM in Vikersund Silber mit der Mannschaft.
Freund, der mit Frau Caren und Töchterchen Johanna in München lebt, soll möglichst dem Deutschen Skiverband erhalten bleiben. Eine Rückkehr auf die Schanze wird es nicht mehr geben. "Ich werde jetzt die Ski, den Anzug und die Schuhe abgeben", sagte Freund: "Noch einmal zurückkommen – das brauch ich nicht."