Frau Müllers Gespür für Pferde
München / Riem - Am wichtigsten Tag in der Karriere von Thomas Müller, dem Tag des WM-Finales in Rio de Janeiro, ist seine Frau zum Reiten gegangen. Kein gemütlicher Sonntags-Ausritt daheim über die Wiesen rund um Otterfing. Nein, sie bugsierte ihren Wallach „Birkhof’s Dave FBW“ in den Anhänger und fuhr in die Stadt, nach Riem, zur Olympia-Reitanlage – als Teilnehmerin der Bayerischen Meisterschaften bei den U25-Reitern. Um 13 Uhr begann ihr Wettbewerb, eine Dressurprüfung – und wie sie später erzählte, war ihr Ehemann live dabei. Per Videostream, am frühen Morgen im fernen Brasilien. Er sah eine verdammt gute Leistung seiner Gattin. Eine, die zu Platz zwei reichte: bayerische Vize-Meisterin. Ihr Ehemann belegte ein paar Stunden später sogar einen noch besseren Platz. Kein schlechter Tag für die Müllers, dieser 13. Juli 2014.
Zehn Monate später steht für Lisa Müller wieder ein großer Wettkampf an. Während ihr Mann jobtechnisch erst mal aus dem Gröbsten raus ist, wird es für sie jetzt so richtig spannend: Bei der Pferd International, Süddeutschlands größtem Pferde-Festival, geht die 25-Jährige vom Reit- und Fahrverein Hachinger Tal erstmals an den Start und tritt in der Dressur-Wertung gegen internationale Konkurrenz an, unter anderen auch gegen die Olympiasiegerin und mehrfache Welt- und Europameisterin Isabell Werth, seit vielen Jahren ihr großes Vorbild. Und das alles genau bei dem großen Pferde-Fest in Riem, wo sie schon als Kind mit großen Augen die wunderschönen Vierbeiner bestaunt hat.
Schuld an ihrer Leidenschaft für Pferde ist eigentlich Opa Hans. Der marschierte mit der kleinen Lisa immer von Oberhaching quer durch den Deisenhofener Forst rüber nach Oberbiberg, zu den Pferdekoppeln – Spaziergänge mit Folgen. Schon mit sechs war Lisa immer auf dem malerischen Gestüt Laufzorn, einem Hachinger Ortsteil, unterwegs, half später als Teenager im Stall und in der Reithalle mit und bekam im Gegenzug dafür die ersten Reitstunden – eine Mädchen-Jugend wie im Bilderbuch.
Pferd International: Westernreiter und Co.
Die Begeisterung ist ihr geblieben. Im angemieteten Stall bei Otterfing hat sie sieben Pferde stehen, sitzt von morgens um acht bis nachmittags um drei im Sattel, hat sich auf Dressur spezialisiert, sich in jungen Jahren aber auch als Springreiterin versucht. Ihre erste Platzierung erreichte sie 2006 in einer kombinierten Dressur/Stilspring-Prüfung, und mit ihrem Pferd „Lennox Lewis“ schaffte sie auch mal eine Platzierung in einer Springprüfung. Doch seit 2010 konzentriert sie sich auf die Dressur – mit Erfolg. Und zwar mit so viel, dass sie nun am ersten Tag der Pferd International mit dem Goldenen Reitabzeichen geehrt wurde, einer Auszeichnung, für die man zehn Spring- oder Dressurturniere der Klasse S und mindestens eines der Klasse S** gewonnen haben muss. Lisa Müller brauchte dafür weniger als drei Jahre. Mittlerweile zählt sie zu den acht besten U25-Reiterinnen in Deutschland. Die Trainer loben ihren Fleiß, ihre Zielstrebigkeit und ihre Bescheidenheit. Viel weiter weg vom klassischen Image der Spielerfrau kann man wohl nicht sein.
Gatte Thomas darf zwar wegen der Verletzungsgefahr erst nach der aktiven Kicker-Karriere aufs Pferd, beschäftigt sich aber recht intensiv mit dem Thema Warmblütler-Zucht, wie auch Bayerns Co-Trainer Hermann Gerland, der ja nicht ganz unschuldig an Müllers Traumkarriere ist, legte er damals doch Louis van Gaal den jungen Müller ans Herz. Der hat nun eine Vorliebe für so genannte Hengst-Videos entwickelt und den Ehrgeiz, das optimale Fohlen zu züchten, das dann von seiner Frau ausgebildet wird. In dieser Hinsicht derzeit bestes Pferd im Stall: ein Dreijähriger namens Filou, dem die Müllers so Einiges zutrauen.
Favorit der Herzen ist momentan jedoch „Freddy“, das knuffige Zwergpony, das so aussieht, als würde es sehr lustige Thomas-Müller-Sprüche raushauen, wenn es denn könnte. Der Weltmeister hat übrigens auch verlauten lassen, dass er sich durchaus vorstellen könne, nach seiner Fußballerkarriere zum Springreiter zu werden. Da könnte ihn dann auch kein Trainer der Welt kurz vor Schluss auswechseln.