Frank Wörndl über deutsches Ski-Debakel: "Langer, harter Weg zurück in die Weltspitze“
München - AZ-Interview mit Frank Wörndl: Der jetzt 61-Jährige war Slalom-Weltmeister 1987 und holte bei den Olympischen Spielen 1988 die Silbermedaille in der gleichen Disziplin. Er arbeitet jetzt als Ski-Experte bei Eurosport. In der AZ stellt er die Systemfrage und spricht über den Sport in Corona-Zeiten.
AZ: Herr Wörndl, wie fällt das Fazit des Slalom-Weltmeisters von 1987 nach dem Auftakt der alpinen Ski-Saison in Sölden aus? Die deutschen Frauen legten etwa eine historische Nullnummer hin, erstmals konnte sich dort keine Rennläuferin für den zweiten Durchgang qualifizieren.
FRANK WÖRNDL: Das stimmt. Aber wer groß etwas anderes erwartet hat, der ist schon weit von der Realität entfernt. Das Einzige, was möglich gewesen wäre, ist, dass sich die Lena Dürr für den zweiten Durchgang qualifiziert. Aber mehr war sowieso nicht drin. Mehr darfst du von der Lena nicht erwarten, und die anderen Läuferinnen sind alle sehr jung, dazu war der Hang schwer. Das, was wir gesehen haben, war der aktuelle Leistungsstand der deutschen Frauen. Da wird sich so schnell auch nichts dran ändern. Es wird ein langer, harter Weg zurück in die Weltspitze. Das wird den Rest dieser Saison nicht groß anders werden, das wird sich auch in zwei Wintern nicht groß ändern.
Man sieht das riesige Loch, das durch den Rücktritt von Viktoria Rebensburg vor Saisonbeginn gerissen wurde.
Jetzt sieht es jeder. Dass es dieses Loch aber gibt, hätte schon lange jeder sehen können. Man brauchte keine Glaskugel, um zu wissen, was passiert, wenn die Vicky zurücktritt. Wo war die zweite Deutsche platziert, wo stand man denn, wenn man die Vicky mit ihren Erfolgen rausrechnet? Wenn man ehrlich ist, sieht man die Probleme schon, seit Maria Höfl-Riesch ihre aktive Karriere beendet hat. Da hatte man nur das Glück - o
der vielleicht im Nachhinein auch Pech -, dass die Erfolge von Rebensburg vieles überstrahlt haben. Und ohne diese Strahlen sieht man eben viel Schatten.
Nachwuchsprobleme bei den deutschen Skifahrern
Woran liegt es?
Das kann ich wirklich nicht sagen. Ich bin nicht nahe genug dran, um zu sagen, wo es im System krankt. Aber dass was nicht stimmt, kann jeder sehen. Schauen wir uns einfach mal die Leute an, die Erfolg haben: Das sind alles Einzelkämpfer, nicht wirklich Produkte des Systems. Thomas Dreßen, ein Ausnahmeskifahrer, aber bei dem waren extrem die Eltern dahinter her - und Sölden als Sponsor. Beim Josef Ferstl waren es auch die Eltern, dann haben wir noch den Andreas Sander und dann wird es sehr eng. Im Verband muss man sich sicher die Frage stellen, warum es die Norweger fast jedes Jahr schaffen, wieder einen jungen Fahrer zu präsentieren, der von Anfang an gleich richtig gut dabei ist - und bei uns kommt keiner einfach so aus dem Nachwuchs daher.
Stefan Luitz und Alexander Schmid haben sich aber achtbar geschlagen.
Absolut. Beide sind ganz gut gefahren. Beide hatten einen guten Lauf und einen schlechten. Wenn sie zwei gute erwischen, sind beide unter den Top Ten. Das ist doch alles in Ordnung. Ich finde, wir sollten uns einfach daran erfreuen, dass wieder Ski gefahren wird.
Ohne Zuschauer: "Es geht halt gerade nicht."
Wie lautet insgesamt Ihr Fazit des Weltcup-Auftaktes?
Super. Es war wunderschön, man sieht den Athleten an, wie hungrig sie darauf sind, dass sie wieder ihrer Leidenschaft, dem Skifahren, richtig nachgehen können. So gut waren die Sportler noch nie vorbereitet, sonst hatte man beim Auftakt in Sölden ja oft irrsinnige Zeitunterschiede - dieses Mal waren alle eng zusammen. Mir hat es super gefallen.
Obwohl aufgrund der Corona-Pandemie keine Zuschauer da waren, die für Stimmung sorgen konnten?
So ist es eben, nächste Frage (lacht). Spaß beiseite, die Dinge sind, wie sie sind. Wir können jetzt ewig jammern, wie schade es ist, dass keine Fans da sind. Ja, es ist schade, aber da geht es uns nicht anders als allen anderen Sportarten. Die Fußballer hätten auch gerne ihre Zuschauer zurück, die Eishockey-Spieler, die Basketballer auch. Es geht halt gerade nicht. Jetzt sind wir wieder bei den Zuständen wie in den 70er Jahren an manchen Strecken. Da waren auch nur 300 Leute da - oder wie in den USA jetzt noch. Da fährst du ja fast ohne Zuschauer. Das haben wir überlebt und auch jetzt werden wir das packen. Mit Jammern ist sicher keinem geholfen.
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