Interview

Frank Busemann: "Das ist dann nicht Olympia"

Die Olympischen Spiele werden großteils ohne Fans ausgetragen. In der AZ spricht Leichtathletik-Ass Frank Busemann über die Entscheidung - und was eine Absage für die Athleten bedeuten würde: "Da gehen Seelen kaputt."
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Frank Busemann.
Frank Busemann. © picture alliance/dpa

München - Der jetzt 46-jährige Frank Busemann holte bei den Olympischen Spielen 1996 sensationell Silber im Zehnkampf, bei der WM 1997 gewann er Bronze.

Olympische Sensation: Der Deutsche Frank Busemann (l.) gewinnt bei den Spielen 1996 in Atlanta die Silbermedaille im Zehnkampf.
Olympische Sensation: Der Deutsche Frank Busemann (l.) gewinnt bei den Spielen 1996 in Atlanta die Silbermedaille im Zehnkampf. © Frank Kleefeldt/dpa

Olympia ohne Fans könnte "sehr, sehr steril werden"

AZ: Herr Busemann, gerade wurde entschieden, dass die aufgrund der Corona-Pandemie von 2020 auf 2021 verschobenen Olympischen Spiele in Tokio auf jeden Fall stattfinden sollen, auf jeden Fall aber keine ausländischen Zuschauer zugelassen werden, vielleicht gar keine Fans. Was sagen Sie als Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele 1996 zu diesen Plänen?
FRANK BUSEMANN: Es ist eine so schwierige Situation. Ich verstehe irgendwo alle Meinungen. Die, die sagen, man soll die Spiele gar nicht stattfinden lassen, aber auch die, die es unbedingt durchziehen wollen. Für mich ist aber klar, dass die Spiele ohne Zuschauer für mich nicht mehr Olympia sind. Die olympische Idee ist ja, dass die Völker dieser Welt zu einem friedlichen Sportfest zusammenkommen und die Athleten unabhängig von der Nationalität, ihrer Religion, ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft von den Fans angefeuert werden. Klar ist das eine romantisierte Vorstellung, aber das gehört für mich zu Olympia dazu. Dazu gehören Geschichten, die das Herz berühren. Wenn ein Sportler sich entkräftet bei einer Langstrecke noch ins Ziel schleppt und dabei Standing Ovations von den Zuschauern erhält. Oder wenn im Sprint im Vorlauf auch Athleten angefeuert werden, die gefühlt Sekunden nach den Besten ins Ziel kommen. Ich fürchte, dass diese Spiele ohne die Fans sehr, sehr steril werden. Davor habe ich richtig Schiss. Ich fürchte, dass dieser Mythos, der die Spiele umweht, dieses Mal vollkommen fehlen wird. Aber was will man machen?

Besonderer Stellenwert von Olympia in der sportlichen Laufbahn

Sie sagten, Sie verstehen aber auch die andere Seite.
Man darf ja nie vergessen, welchen besonderen Stellenwert die Olympischen Spiele im Leben eines Sportlers haben. Viele trainieren ja ihr ganzes Leben, um einmal dieses Erlebnis Olympia erfahren zu dürfen. Schon unter normalen Umständen, hat man nur alle vier Jahre die Chance dazu. Wenn Olympia in diesem Jahr nicht stattfindet, dann wird es auch 2022 nichts, denn da sind schon die Winterspiele, und 2023 wird man es auch nicht reinpressen, weil 2024 ja schon die nächsten Sommerspiele stattfinden. Das hieße, dass man acht Jahre Pause hätte und ganz viele Lebensträume platzen würden. Da würden einige Seelen kaputtgehen. Das darf man nicht unterschätzen. Ob es dann das Erlebnis war, von dem alle geträumt haben, das werden wir dann im September wissen, wenn sie es hinter sich haben und alles anders war, als sie es sich vorgestellt oder es erzählt bekommen haben. Wenn das Athletendorf nicht der Ort der Begegnung ist, geht viel verloren.

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Die Olympischen Spiele und der Kommerz

Kritiker sagen, dass die Austragung eine rein kommerzielle Entscheidung ist und nichts mit dem olympischen Gedanken zu tun hat.
Natürlich spielt der Kommerz eine wichtige Rolle. Man hat Milliarden investiert und will natürlich den Verlust möglichst gering halten. Den Vorwurf, dass Olympia mehr vom Kommerz getrieben ist, den gibt es ja schon seit der Zeit von Juan Antonio Samaranch. . .

. . .der von 1980 bis 2001 Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) war.
Der Vorwurf ist sicher auch nicht ganz falsch. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass er damit erst den Olympischen Spielen die ganz große Bühne bereitet hat. Auch da gibt es - wie so oft Leben - eben nicht nur eine Seite.

Busemann über deutsche Impfsituation: "Bei uns geht nichts voran"

Wie stehen Sie dazu, dass das IOC sich Impfdosen sichert, um die Sportler, die nach allen Priorisierungen sicher nicht an der Reihe sind, noch vor den Spielen impfen zu lassen?
Das ist eine ethisch-moralische Frage. Ich bin sicher dafür, dass die Schwachen besonders geschützt werden. Aber ich denke auch, dass wir uns - so, wie es in Deutschland im Moment läuft - mit unserer Bürokratie selber im Weg stehen. Man versucht, wirklich alles bis ins letzte Detail zu regeln - dabei geht die Effektivität verloren. Man müsste jetzt einfach mal die Ärmel hochkrempeln und impfen, impfen, impfen. Wenn es selbst die chaotischen Amis, bei denen am Anfang der Pandemie die Menschen fast wie die Fliegen gestorben sind, auf die Reihe kriegen, muss man sich schon fragen, warum wir es nicht schaffen. Bei denen wird zwischen Supermarktkasse und Parkplatz oder im Fast-Food-Laden geimpft. Und bei uns geht nichts voran. Bei aller versuchten Perfektion geht auch so viel schief. Da spreche ich aus eigener Erfahrung.

Wir hören.
In der Klasse unseres Ältesten gab es einen Corona-Fall. Also mussten wir als gesamte Familie für 14 Tage in Quarantäne. Das volle Programm, wir durften nicht mal raus, um den Müll in die Tonne zu tun. Damit unser Sohn wieder am Unterricht teilnehmen konnte, brauchten wir einen negativen Test. Das ist ja auch richtig. Aber als wir dann nachfragten, wurde uns gesagt, dass der Test verlorengegangen sei. Die haben den einfach verschlampt! Wer so viel Gehorsam fordert, sollte dann aber auch selber vorbildlich sein in der Ausübung seiner Aufgaben.

Leichtathletik-Ass wird in Tokio wahrscheinlich nicht vor Ort sein

Werden Sie in Tokio als Experte vor Ort sein?
Im Moment ist es noch geplant. Ich bin gespannt, ich habe wirklich Angst davor, dass es mich nicht berühren wird. Ich war ja etwa bei der Deutschen Meisterschaft in Braunschweig. Es war echt eine Totenstille im Stadion. Obwohl ich 150 Meter von den Athleten entfernt war, habe ich mich nur getraut, mit meinen Kollegen zu flüstern, weil man Angst hat, dass man die Sportler stört, wenn man normal laut reden würde. Und das Olympia, diesem Fest der Freude, auch der Lautstärke: Das ist nur sehr schwer vorstellbar für mich.

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