Formel 1 in Indien: Slums neben der Strecke
Am Wochenende gastiert der Rennzirkus erstmals in Neu Delhi – den Einheimschen bringt das wenig.
Greater Nodia - Indien – das Land von 1001 Nacht, das Land von 1001 Formalitäten. Das allergrößte Problem für den Großen Preis von Indien, der am Sonntag erstmals auf dem Buddh International Circuit vor den Toren Neu Delhis ausgetragen wird, dürften die Einreiseformalitäten gewesen sein. „Ich musste über 70 Seiten Papierkram unterzeichnen. So etwas habe ich noch nirgendwo erlebt”, echauffierte sich Lotus-Pilot Heikki Kovolainen, der schon fast 100 Grand Prixs bestritt. Mercedes-Fahrer Nico Rosberg wurde sogar anfangs das Visum ganz verweigert.
„Ich habe ein wenig das Gefühl, dass uns die Inder gar nicht so gerne sehen wollen. Ich hoffe, dass uns die indischen Fans schneller ins Herz schließen als die Einreisebehörden”, sagte Virgin-Pilot Timo Glock, der die Regulierungswut der indischen Behörden anprangerte: „Es fehlte nur noch, dass sie mein Seepferdchen sehen wollten für den Fall, dass ich in einen indischen Tümpel falle. Das Prozedere ist hier echt ein Problem.”
Es ist nicht das einzige Problem bei diesem Debüt-Rennen. Der Kurs – 290 Millionen Euro teuer –, den der deutsche Architekt Hermann Tilke entworfen hat, ist zwar rechtzeitig fertig geworden, doch rund herum sieht es weiter wie eine große Baustelle aus. „Die Strecke ist fertig, an den Hochbauten wird aber noch etwas gewerkelt”, sagt Tilke.
100000 Zuschauer finden auf der Strecke Platz, ob die Tribünen aber wirklich gefüllt sein werden, ist fraglich. Denn die Ticketpreise beginnen bei 35 Euro, die besten Sitze kosten mehr als 500 Euro. Da das Jahreseinkommen pro Person in Indien aber bei unter 1000 Euro liegt, sind die Karten für den Großteil der Bevölkerung unerschwinglich.
Wie sehr in der aufstrebenden Wirtschaftsmacht Indien das Gros der Bevölkerung noch in Armut lebt, erlebt man nur wenige Meter von der Rennstrecke entfernt, hier gibt’s Slums, Strom und fließend Wasser gibt es hier sowieso nicht.
Dafür gibt es viele Proteste gegen den Streckenbau. Vor allem von den Bauern, auf deren Land das Multi-Millionen-Projekt aus dem Wüstenboden gestampft wurde. Die Bauern fühlen sich von der Regierung des Bundesstaates Uttar Pradesh – die das Gelände ursprünglich erworben hatte – über den Tisch gezogen. „Die Staatsregierung hat ihre Versprechen nicht eingehalten”, erklärte der Sprecher der Bauern Rupesh Verma, „für das Spiel mit den schnellen Autos wurde uns Landwirten die Lebensgrundlagen entrissen.”
Damit die Bauern den schönen Schein des Indien-Grand-Prixs nicht mit öffentlichen Protesten beim Rennen stören können, wurden die Sicherheitsvorkehrungen extra verschärft. Ein Spiel mir schnellen Autos, ein Spiel mit Millionen. Und wo viel Geld, da auch viele Klagen. So hat jetzt Indiens Oberster Gerichtshof entschieden, dass wegen des Streits um Steuerzahlungen der Betreiber, 25 Prozent der Einnahmen aus den Ticketverkäufen auf einem Sperrkonto eingefroren werden müssen. Ein Aktivist hat eine Anzeige gegen die Veranstalter erhoben, damit auch für den Grand Prix eine Vergnügungssteuer zu entrichten sei.
Doch bei allen Querelen, Indien gilt als eine der kommenden Märkte. „Indien wird zu einer Wirtschaftsmacht. Viele unserer Firmen wollen auf den Weltmarkt. Die Formel 1 ist da eine gute Plattform”, sagt Narain Karthikeyan, Indiens einziger Formel-1-Pilot vom HT-Team. „Das ist ein großer Tag für Indien. Und das ich hier bei meinem Heimrennen starten kann, macht das zum allerschönsten Tag für mich überhaupt.”
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