Filmkritik: Mehr Maske als Maxe

„Max Schmeling – Eine deutsche Legende“: So heißt der Film, der in Kürze ins Kino kommt. Der AZ-Boxexperte hat die Biografie schon gesehen – und Schwächen ausgemacht.
von  Abendzeitung
Henry Maske gibt den Max Schmeling
Henry Maske gibt den Max Schmeling © Rauchensteiner/Augenklick

„Max Schmeling – Eine deutsche Legende“: So heißt der Film, der in Kürze ins Kino kommt. Der AZ-Boxexperte hat die Biografie schon gesehen – und Schwächen ausgemacht.

LEVERKUSEN „Was ist das?“, fragt verwundert der Rundfunkreporter, der schon die Louis-Kämpfe vor dem Krieg rassistisch übertragen hatte, bei Max Schmelings letztem Kampf. In der so überraschenden, letzten Szene beendet Henry Maske als Max Schmeling plötzlich den Kampf gegen Richard Vogt (gespielt von Arthur Abraham), verlangt nach dem Mikrofon und spricht, schwer atmend, zum Publikum: „Ich danke euch. Dies war mein letzter Kampf. Ich gebe mich geschlagen, aber ich verlasse den Ring aufrecht.“ Es folgt die Umarmung mit Anny Ondra, Ovationen, dann der Abgang und der Abspann nach 1:50 Stunden.

Dienstag war Max Schmelings 105. Geburtstag. Heute hat der Film „Max Schmeling - Eine deutsche Legende“ Premiere im Berliner Delphi-Filmpalast. Am 7. Oktober kommt die verfilmte Biografie in die Kinos.

Doch so rührselig wie in der Filmversion hat Max Schmeling mit 43 Jahren seine ruhmreiche Karriere freilich nicht beendet. Die Realität sieht ganz anders aus. Nach dem Fight, aber noch vor dem verkündeten Punktsieg Vogts teilte Trainer Max Machon über Lautsprecher mit: „Im Auftrag von Max Schmeling danke ich Ihnen für die treue Gefolgschaft, die Sie immer bewiesen haben. Das war endgültig sein letzter Kampf.“

Schmeling hatte weder aufgegeben, noch war er zu Boden geschlagen worden. All diese und andere „Freiheiten“ hat sich, sehr zum Missfallen der Vorstände der Max-Schmeling-Stiftung, Regisseur Uwe Boll aus „dramaturgischen Gründen“ genommen.

Alle komplexen Themen der Nazi-Zeit außerhalb des Rings huscht Boll, der unter Filmkritikern einen überwiegend schlechten Ruf genießt, nur ins Bild. Hitler erscheint gar nicht, obwohl der Führer das Sportidol mehrmals empfangen hat. Nur dessen Launen werden von Reichssportminister Hans von Tschammer und Osten (Arved Birnbaum) kundgetan: „Enttäuschen Sie den Führer nicht.“ „Der Führer will den Namen Schmeling nie wieder hören.“

Immerhin wird der authentische Besuch Ondras bei Goebbels während der Rundfunk-Übertragung aus Amerika kurz eingeblendet. Wie auch die Pogromnacht, in der Schmeling zwei Juden-Jungen Lewin in seinem Hotel versteckt.

In Kriegs-, Liebes-, Nazi-, Juden- und Nachkriegsszenen spielt Maske, der Laiendarsteller, Schmeling mit konzentrierter, steifer, emotionsloser Mimik. Das Drehbuch macht einen Mann wortkarg, der tatsächlich ein höchst charmanter Plauderer und in Gesellschaft der Berliner Künstlerszene eine unterhaltsame Persönlichkeit war. Diesen Wesenszug unterschlägt der Film.

Der Zuschauer sieht – und hört – mehr Maske als Maxe. Selbst wenn die buschigen, schwarzen Augenbrauen und Haare eine äußere Ähnlichkeit mit dem „schwarzen Uhlan“ vermitteln. Auch die fade österreichische Schauspielerin Susanne Wuest kann die lebenslustige Anny Ondras, Schmelings Frau, nicht wiedergeben. Nur der jüdische Manager Joe Jacobs (Wladimir Weigl) bringt Pep ins Kino.

Maske hat sein Bestes gegeben. Seine Töchter hätten gesagt: „Papa, du brauchst dich nicht zu schämen.“

Warum auch? Henry Maske ist kein Paul Newman, Robert De Niro, Will Smith oder Russell Crowe, die als Rocky Graziano, Jake LaMotta, Muhammad Ali und James Braddock es sogar zum Oscar brachten.

Boll ist gegen die Regiekünste eines Robert Wise, Martin Scorsese oder Michael Mann eben nur ein Boxkenner. Die Kämpfe werden nicht unrealistisch brutal und blutig in Szene gesetzt.

Für einen Boxer ist es viel schwerer, mit einem halben Jahr Unterricht Schauspieler zu werden, als für Hollywood-Stars, in wenigen Wochen im Gym Film-Faustschläge einzustudieren. Das Boxen ist authentisch und das Beste des Films. „Wenn wir die Boxszenen nicht hingekriegt hätten, wäre das peinlich gewesen“, sagt Maske. „Wenn ich den anderen Teil in den Augen der Kritiker nicht hinbekommen habe, kann ich nur sagen: Ich habe mein Bestes gegeben.“

Hartmut Scherzer

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