"Felix Sturm boxt endlich wieder wie Felix Sturm"
AZ: Herr Drews, am Samstag hat Felix Sturm die Chance, als erster Deutscher überhaupt, zum fünften Mal Weltmeister zu werden. Mit Fedor Chudinov hat er eine lösbare Aufgabe vor den Fäusten. Gibt’s Widerspruch vom Box-Experten?
TOBIAS DREWS: Ich denke, dass der Kampf enger wird, als viele glauben. Chudinov kann sehr hart schlagen und auch gehörig was wegstecken. Mich beeindruckt auch, dass er in jungen Jahren zusammen mit seinem Bruder, der ja der erfolgreichere Boxer war, in die USA gegangen ist, um da den amerikanischen Profistil zu erlernen, sich die nötige Ringhärte zu holen. Sturm wird schon eine Darbietung benötigen, die am oberen Ende seiner Leistungsskala anzusiedeln ist. Aber ich gehe davon aus, dass er sich den Gürtel holt.
Bei seinem Kampf gegen Robert Stieglitz im November hat Felix Sturm endlich wieder so eine Leistung abgerufen.
Ja, das hat man so nicht unbedingt erwartet. Nicht, weil Sturm es nicht grundsätzlich drauf hat, sondern weil er in den letzten Jahren seinen Stil umgestellt hat. Er, der ja ein großartiger Techniker ist, wollte sich einen Namen als Puncher machen. Dabei ist er einer, der die ganz feine Boxklinge führen kann. Jetzt boxt Felix Sturm endlich wieder wie Felix Sturm, will nicht jemand sein, der er nicht ist. Wenn er sich so präsentiert und nicht im Kopf schon beim bevorstehenden Megakampf gegen Arthur Abraham ist, wird er gewinnen. Wenn er nicht voll fokussiert ist, kann das ein sehr bitterer Abend werden.
Kann man sich überhaupt voll konzentrieren? Wenn mitten in der Vorbereitung die Staatsanwaltschaft gegen einen ermittelt, weil man angeblich einen Mordauftrag erteilt haben soll? Inzwischen ist das Verfahren eingestellt worden, da die Vorwürfe nicht zutreffen.
Natürlich stört so etwas die Konzentration. Selbst, wenn man weiß, dass man unschuldig ist, wird man ja doch dauernd drauf angesprochen. Ich weiß, wie sehr mich das aus der Bahn geworfen hätte. Ich hätte den Kampf abgesagt. Aber das ist wohl auch der Grund, warum ich kein Boxer bin und er schon, er hat diese mentale Härte, die Fähigkeit, sich davon frei zu machen.
Immer wieder gerät das Boxen ins Zwielicht. Es gibt ja nicht gerade wenige Kämpfer, die straffällig wurden.
Absolut. Sonny Liston mit seinen Kontakten zur Mafia ist da ja das Paradebeispiel. Oft waren dabei Drogen im Spiel. Und niemand weiß, wie die Drogen einen Menschen verändern, wie sie ihn zum Monster machen. Ein definitiv sehr trauriges Kapitel des Boxsports.
Nicht so tragisch, aber auch traurig sind die Manipulationen der Ranglisten. Wie sonst kann man es erklären, dass im zweiten Hauptkampf Jack Culcay gegen Maurice Weber, der nicht gerade ein beeindruckendes Renommee hat, um die WM boxen darf?
Ich habe mit dem Kampf an sich kein Problem. Wenn es dabei um eine deutsche Meisterschaft oder um eine EM gehen würde, fände ich ihn gut, denn in der Box-Bundesliga hat Weber Culcay ja sogar mal besiegt. Aber es ist so, dass mir die Worte Jack Culcay, Maurice Weber und Weltmeisterschaft nicht stolperfrei über die Lippen kommen. Nicht einmal wenn die WM durch den Zusatz Interims- relativiert wird. So machen sich die Verbände lächerlich. Culcay wird der Titel auf dem Silbertablett dargeboten – ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich das entgehen lässt. Soviel Silbertabletts bekommt man in der Art im Leben nicht präsentiert. Er wäre blöd, wenn er nein sagen würde. Aber er muss in den Kämpfen danach unter Beweis stellen, dass er eines solchen Titels würdig ist. Vielleicht werden wir alle überrascht und es wird die große Cinderella-Geschichte. Ich mag ja diese Stories. Es hat ja auch kein Mensch geglaubt, dass Buster Douglas Mike Tyson ausknocken könnte. Und Sturm kam damals auch sehr überraschend zu seiner ersten WM-Chance – nun hat er über 20 WM-Kämpfe.
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