Federer: Papa gnadenlos

Roger Federer hat auch nach dem Rekordsieg noch lange nicht genug von seinen Triumphen. Dass er bald Vater wird, verstärkt seine Motivation eher: „Das wird mir noch mal einen Riesenschub geben.“
von  Abendzeitung
Grüßt als Grand-Slam-Rekordler: Roger Federer.
Grüßt als Grand-Slam-Rekordler: Roger Federer. © Bongarts/Getty Images

Roger Federer hat auch nach dem Rekordsieg noch lange nicht genug von seinen Triumphen. Dass er bald Vater wird, verstärkt seine Motivation eher: „Das wird mir noch mal einen Riesenschub geben.“

LONDON Im prunkvollen Empfangssaal des All England Club posierten sie gerade wie die Fantastischen Vier des Tennis fürs historische Gruppenbild, die Herren Laver, Borg, Sampras und Federer, da beschlichen den Jüngsten der Centre Court-Titanen auf einmal seltsame Zweifel: „Ich dachte: Was mache ich hier eigentlich? Was mache ich zwischen meinen eigenen Idolen?“, sagte Roger Federer etwas amüsiert, als er sich spätabends an diesem denkwürdigen Sonntag noch einmal an das Rendezvous des Goldenen Quartetts erinnerte.

Doch wenn dieser geschichtsträchtige 5. Juli 2009 mit all seinen filmreifen Turbulenzen, wenn diese Abenteuerreise über fünf Sätze, 77 Spiele und vier Stunden und 18 Minuten gegen den Amerikaner Andy Roddick eine felsenfeste Gewissheit brachte, dann die: Mit seinem 15. Grand Slam-Titel, dem Rekordsieg, war Federer endgültig in die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen aufgestiegen – zu den Ikonen Björn Borg, Rod Laver und Pete Sampras.

Auch das ist ja ein sympathischer Wesenszug des netten Tennis-Diktators: Was er da in sechs Jahren seit seinem ersten Wimbledon-Sieg auf die Grand Slam-Felder hingezaubert hat, ist ihm manchmal selbst noch ein wenig unheimlich. „Richtig glauben werde ich das alles erst, wenn ich in ein paar Jahren auf meine Karriere zurückschaue“, gestand Federer an diesem größten Tag seiner Ausnahmekarriere, an dem er Sampras von Platz eins der ewigen Bestenliste verdrängte.

Wo seine Emotionen noch Achterbahn fuhren in den Stunden des sechsten Wimbledon-Triumphs, wo er sich im Gefühlschaos „kaum richtig sortieren“ konnte, verneigten sich die Granden der Branche in allem Respekt vor dem Tennis-King des 21. Jahrhunderts: „Unbegreiflich gut“ sei dieser Federer, sagte der Australier Laver, „er ist ein Spieler, der alles kann, ein Wunder auf zwei Beinen. Und ein Botschafter dieses Sports, wie es ihn noch nie gab.“ Bleibe der Schweizer verletzungsfrei, so Altmeister Borg, werde er in den nächsten Jahren Rekorde festschreiben, „die zum Alptraum für Generationen taugen“.

"Mirka sitzt da - und leidet und zittert und bangt"

Und dass er auch als Kaiser in der ewigen Titel-Hitliste nicht gewillt ist, nachzulassen in seinem Siegeshunger, machte Federer auch gleich unübersehbar deutlich - im T-Shirt mit dem großen Aufdruck „Siehst Du die Ziellinie“ spazierte er sonntags grinsend durch sein grünes Rasenreich und lieferte in kleinen Lettern sozusagen die Antwort mit: „Not done.“ Sprich: Fertig ist die Sache noch längst nicht.

„Keiner als Federer weiß so gut, wie man sich an der Spitze der Welt behaupten kann“, sagt John McEnroe, selbst einmal das Maß aller Dinge im Tenniszirkus, „er hat die Qualität, seinen Gegnern immer einen Schritt voraus zu sein.“ Die letzten Erfolgswochen illustrierten das eindrucksvoll.

Bald schon wird der „Superchamp“ („Blick“) erstmals Papa, und er weiß, „dass dies mein Leben ziemlich ändern wird.“ Nur habe er auch „nicht das Gefühl, dass dies meine Motivation als Tennisspieler bremsen könnte“, so Federer, „eher im Gegenteil: Das wird mir noch mal einen Riesenschub geben.“ Auch als Papa wird er gnadenlos sein – zu seinen Gegnern.

Seine Frau Mirka und er hätten sich „ja immer gewünscht, dass unsere Kinder auf die Welt kommen, wenn ich noch Tennis spiele.“ Als er am Sonntag nach vier Stunden einmal hoch blickte auf die Ehrentribüne, beim Stand von 12:12 im fünften Satz des Marathon-Krimis, fuhr ihm in der Hitze des Gefechts jäh der Schreck in die Glieder: „Ich war so versunken in dieses Spiel“, so Federer, „aber da ist mir auf einmal klar geworden, dass ja auch Mirka noch immer da sitzt und leidet und zittert und bangt."

Jörg Allmeroth

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