Federer ist entthront: Del Potro gewinnt die US Open

Der Argentinier Juan Martin del Potro, gerade erst 20 Jahre jung und fast zwei Meter groß, stößt Roger Federer in New York vom Tennis-Thron. Jetzt freut er sich auf einen Käsekuchen.
von  Abendzeitung
Juan Martin del Potro: Sieger der US Open
Juan Martin del Potro: Sieger der US Open © dpa

NEW YORK - Der Argentinier Juan Martin del Potro, gerade erst 20 Jahre jung und fast zwei Meter groß, stößt Roger Federer in New York vom Tennis-Thron. Jetzt freut er sich auf einen Käsekuchen.

Die Nacht kam ins Arthur-Ashe-Stadion, der Tag ging. Und mit ihm erst alle Logik in einem dramatischen Fünf-Satz-Finale. Und dann auch Roger Federer als ewiger Champion, als King von New York.

Gestürzt war der Supermann über einen erst 20-jährigen Argentinier, dessen Namen man sich nun wohl merken muss. Juan Martin del Potro, 198 Zentimeter lang, ein starker Taktiker, ein bestens ausgebildeter Techniker, ein schlauer Stratege und unwiderstehlich harter Schlagproduzent, ein Himmelsstürmer, der drauf und dran ist, die Hackordnung im Welttennis durcheinander zu rütteln.

„Es ist ein Moment, von dem ich mein ganzes Leben lang geträumt habe“, sagte der argentinische Riese nach dem 3:6, 7:6 (7:5), 4:6, 7:6 (7:4), 6:2-Sieg über den zuvor in 41 New Yorker Duellen ungeschlagenen Federer. Und dann gab er nach 4:06 Stunden Kampfzeit auf die Frage, was er mit insgesamt zwei Millionen Dollar Preisgeld anfangen werde, erfrischend profan zurück: „Einen Käsekuchen zum 21. Geburtstag kaufen.“

Es war ein dramatisches Finish wider alle Vernunft gewesen. Denn wo sonst der Dominator Federer bei den Big Points souverän und mit aufreizender Selbstsicherheit das Geschehen diktiert, war es in diesem denkwürdigen, beinahe unheimlichen Schauspiel der Jungspund, der Regie führte. Erst gewann del Potro den Tiebreak des vierten Satzes, dann ließ er dem fahrig wirkenden Federer auch im fünften, entscheidenden Satz nicht den Hauch einer Chance. „Das war eines Grand-Slam-Champions würdig“, sagte Federer neidlos und attestierte sich selbst doch eine „Supersaison – vier Grand-Slam-Finals, zwei Titel. Dazu, noch schöner, die Hochzeit und die Geburt der Zwillinge. Was will ich mehr?"

Natürlich den sechsten Titelcoup in New York. Doch den verhinderte der hochbegabte del Potro, ein Spieler, dessen Titel alles andere als ein Zufallsprodukt ist. Schon seit Jahren arbeitete sich der Argentinier zielstrebig und zäh in der Weltrangliste nach oben – bis in die Top Fünf. „Es ist nur konsequent, dass er auch so früh zu solch einem Sieg kommt“, sagte Ex-Star John McEnroe, „wie er sich Federer in dieser Schlacht gegenüber gestellt hat, war geradezu famos.“

„El Palito“ nennen sie ihn daheim in Argentinien, „die Bohnenstange“. 32 Jahre nach dem US-Open-Sieg von Guilermo Vilas ist er zum neuesten Exportschlager der tennisverrückten Nation geworden. Gegen die peitschenden Vorhände del Potros, aber auch gegen seine kluge Defensivarbeit war der Eidgenosse schließlich machtlos - nachdem er sich nach klarer Führung auch zu viele Mätzchen und Tricksereien mit del Potro erlaubt hatte. Federer wollte zaubernd ins Ziel, mit Stopps, Lobs und allerlei verwinkelten Schlägen, doch del Potro nahm die Herausforderung an, fightete sich in der Pose des harten Malochers zurück - und plötzlich war alle Magie Federers weg. „Ich dachte, ich hätte ihn im Griff, aber das war ein Irrtum“, sagte er später. Del Potro, so scheint es, ist nun der Stärkste einer Liga außergewöhnlicher Tennis-Gentlemen. „Wir danken Gott für diesen Jungen“, jubelte die Zeitung „El Nacion“ daheim bereits, als del Potro im letzten Jahr erstmals ins Spitzenfeld stürmte und vor den US Open 2008 vier Turniere im Sommer gewann.

Nur in New York war die Zeit noch nicht reif für den Burschen mit der Statur eines Schwergewichtsboxers. Den großen Schwinger hat er erst jetzt gesetzt, der letzte wird es nicht bleiben. „Mein nächstes großes Ziel ist, die Nummer 1 zu werden“, sagte del Potro. Eine Kampfansage an die Herren Rafael Nadal (den der Argentinier im Halbfinale ausgeschaltet hatte) und Federer, eine Warnung, für die er in der magischen Tag-Nachtvorstellung von New York gute Argumente lieferte.

Jörg Allmeroth

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