Federer & Co: Horror-Gagen in der Finanzkrise

Nur noch beim Grand Slams sind die Top-Asse der Tennis-Szene alle am Start. Warum sich Veranstalter kleinerer Turniere kaum mehr Super-Stars leisten können:
von  Abendzeitung
Nimmt bis zu 450 000 Dollar Antrittsgage bei kleineren Turnieren: Roger Federer.
Nimmt bis zu 450 000 Dollar Antrittsgage bei kleineren Turnieren: Roger Federer. © dpa

PARIS - Nur noch beim Grand Slams sind die Top-Asse der Tennis-Szene alle am Start. Warum sich Veranstalter kleinerer Turniere kaum mehr Super-Stars leisten können:

Es ist jeden Morgen das gleiche Bild. Endlose Menschenschlangen ziehen vom Place d`Auteuil hinüber zur Tennismesse ins Stade Roland Garros, Polizisten regeln hilflos den chaotischen Verkehr zur Grand Slam-Show – und Schwarzhändler lauern an allen Ecken und Enden, um drastisch überteuerte Tickets unters Fanvolk zu streuen. Bei den French Open ist, wie scheinbar auch bei den drei anderen Grand Slam-Turnieren des Wanderzirkus, nichts zu spüren von den gravierenden Auswirkungen der globalen Finanzkrise; zum Gastspiel der Starkolonne um Rafael Nadal, Roger Federer, Maria Scharapowa oder auch den fabelhaften Williams-Schwestern zieht es die Massen wie eh und je.

Mehr als eine halbe Million Zuschauer wird die „Federation Francaise de Tennis“ bis zum übernächsten Sonntag nahe des Bois de Bologne begrüßen können, bis zu jenem Sonntag, an dem alle Welt auf eine Wiederholung des finalen Serienklassikers zwischen Rafael Nadal und Roger Federer hofft. „Das Geschäft bei den Grand Slams geht eigentlich immer“, sagt Tennis-Impresario Ion Tiriac, der gerade eine zwiespältige Premiere bei seinem neuen Masters-Wettbewerb in Madrid erlebte, in einer über 100 Millionen Euro teuren, aber ziemlich sterilen Turnierlandschaft. Eigentlich.

"Die Krise hinterlässt ihre Spuren"

Tatsächlich sind aber nicht einmal die vier Grand Slam-Turniere einhellig immun gegen die tiefe Rezession, die sich hineingefressen hat in die Volkswirtschaften rund um die Erde. Während Wimbledons hohe Herren gerade mit Pomp und Glanz ihr 110 Millionen teures Centre Court-Dach einweihten, unter Anwesenheit von Stars wie Steffi Graf und Andre Agassi, hatten 25 000 Kilometer entfernt, am anderen Ende der Welt, die Verantwortlichen der Australian Open eine neue Hiobsbotschaft zu verkünden: Nach einem Finanzdienstleister war nun mit dem Pflegemittel-Giganten Garnier bereits der zweite Topsponsor binnen weniger Wochen abgesprungen. „Die Krise hinterlässt ihre Spuren, da kann man nichts beschönigen“, sagte der Boss des Melbourne-Turniers, Steve Wood.

Doch von den Sorgen etwa der Australian Open-Manager können die meisten Macher kleinerer Turniere nur träumen, vor allem im Herrentennis. Denn sie werden 2009 brutal erwischt von der Wirtschaftskrise – wie in einer Zangenbewegung: Während die ATP die Preisgelder inflationär in die Höhe schraubte und bis zum Saisonfinale im November runde 83,7 Millionen Dollar an die Profis ausschüttet, kämpfen die Turnierchefs im kritischen Wirtschaftsumfeld verzweifelt um Sponsorengelder. Ob Michael Stich am Hamburger Rothenbaum, ob Österreichs Impresario Ronnie Leitgeb in Kitzbühel oder Turnierveranstalter im krisengeschüttelten Nordamerika – alle ächzen und stöhnen unter der Last, die Gelder für die Stars zusammenzuklauben und die stattlichen weiteren Fixkosten zu finanzieren.

"Federer kostet 450 000 Dollar"

„Das Schwierigste ist: Es gibt kein Problembewusstsein bei den Stars und ihren Interessensvertretern, wie hart die Lage ist“, sagt ein französischer Turnierboß. Noch immer würden „astronomische Summen“ verlangt, „die nur mit größten Bauchschmerzen zu bezahlen sind.“ Der Österreicher Leo-Günther Huemer, für das traditionsreiche Hallenspektakel in Wien verantwortlich, hat seinem Unmut gerade Luft gemacht und erklärt, er könne sich keinen einzigen Starspieler mehr leisten: „Federer kostet 450 000 Dollar, Djokovic will 300 000 Dollar Antrittsgeld. Das können wir nicht bezahlen.“ Beim Wimbledon-Turnier wollen die Turnierbosse nun der ATP die Pistole auf die Brust drücken: Bis zu 35 Prozent sollen die Preisgelder schrumpfen, heißt es aus den Reihen von Europas Turnierchefs, andernfalls müsse sich die Spielergewerkschaft darauf einstellen, „dass es viele Wettbewerbe ganz schnell nicht mehr gibt.“ Hinter den Kulissen wird offensichtlich gerade ein Forderungspaket an die ATP formuliert, die nach dem Geschmack der Turniermacher bisher so tut, „als ob da draußen ein bisschen Gegenwind weht“: „Dabei ist es ein Sturm, der über uns weg zieht.“

Serena Williams kokettiert mit 12-Dollar-Täschchen

Dabei haben einige Turniere noch die Gnade des richtigen Timings und der richtigen Allianz erwischt: Bevor der Tsunami an den Finanzmärkten losbrach und dann auch die Wirtschaft auf breiter Front in die Tiefe riss, hatten viele Veranstalter langfristige Verträge abgeschlossen – so brachten auch die Macher der ATP-WM in London noch einen 38-Millionen-Dollar-Deal mit der Barclays Bank unter Dach und Fach, mit einem der wenigen Institute, das bisher nicht auf Staatshilfe angewiesen war. Einen Großsponsor wie die Stuttgarter Automobilschmiede Mercedes, die über ein Jahrzehnt lang Geldgeber und automobiler Dienstleister des Herrentennis war, haben die ATP-Chefs aber nach dem Ausstieg der Deutschen zum Ende 2008 bisher noch nicht gefunden, ein untrügliches Zeichen für die schwierigen Marktbedingungen

Millionenschwere Stars wie Serena Williams gießen derweil mit unpassenden Mätzchen noch Öl ins Feuer. Bei den Australian Open verkündete die superreiche Diva letztens, sie müsse jetzt auch kräftig sparen – und zum Beweis ihrer neuen Knausrigkeit hielt sie vor den Berichterstattern dann ein 12-Dollar-Handtäschchen in die Höhe. „Ich kann mir auch nicht mehr alles leisten“, sagte sie.

Jörg Allmeroth

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