Fed-Cup-Chefin Rittner: „Unsere Mädels haben alle was in der Birne!“

Bei den Australian Open sorgten erst Julia Görges und jetzt Andrea Petkovic für Aufsehen. Hier erklärt Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner den Aufschwung der deutschen Tennis-Frauen
AZ: Frau Rittner, das deutsche Damentennis ist nach einer jahrelangen Dürrephase wieder auf dem Weg nach oben. Wie kam es dazu?
BARBARA RITTNER: Wir haben einfach sehr gute Spielerinnen, die nach harten Lehrjahren jetzt an die Tür zur Weltspitze klopfen. Sie haben bittere Erfahrungen und auch viele Fehler gemacht, doch nun stehen sie da und sagen: Wir können und wir werden ein Wörtchen da oben mitsprechen. Und das Beste daran ist: Sie machen sich auch untereinander richtig Konkurrenz. Ganz friedlich, ohne Zank und Stunk. Sie stacheln sich gegenseitig zu Höchstleistungen an.
Andrea Petkovic, die in der Nacht zum Dienstag um den Halbfinal-Einzug bei den Australian Open spielte, ist die neue Frontfrau des DTB. Eine Spielerin, die zunehmend auch international wahrgenommen wird.
Sie ist ja auch eine interessante, tolle Persönlichkeit. Sie liefert beste Unterhaltung auf dem Platz. Und hat auch einiges zu sagen, wenn das Spiel vorüber ist. Ich denke, dass sie zu den zwei, drei spannendsten Sportlerinnen zählt, die Deutschland momentan zu bieten hat.
Die Amerikanerin Lindsay Davenport sagte, Petkovic sei wohl der krönende Beweis dafür, dass Intelligenz im Sport nicht schädlich sei.
Ich sehe aber die ganze Gruppe von Spielerinnen, also auch Görges, Lisicki, Grönefeld und Kerber und finde: Die haben alle richtig was in der Birne. Und machen eine richtig gute Figur. Andrea trägt ihr Einser-Abitur ja nicht zu Markte, sie wehrt sich gegen dieses Klischee von der Intellektuellen. Mich begeistert, wie sie neben ihrer Leidenschaft fürs Tennis noch Zeit findet, um ein Studium der Politikwissenschaften zu betreiben. Andere hocken stumpfsinnig vor der Playstation.
Erstaunlich genug, dass Petkovic noch bis vor drei Jahren gar nicht sicher war, ob sie Tennisprofi werden wollte.
Als ihr bei den Australian Open 2008 das Missgeschick mit dem Stolperer und dem Kreuzbandriss passierte, wusste ich schon, dass es jetzt zwei Möglichkeiten gab: Entweder würde sie die ganze Tour hinter sich lassen und etwas völlig anderes anvisieren. Oder sie würde entdecken, wie sehr sie Tennis braucht - und Karriere machen. Zum Glück hat sie sich für Letzteres entschieden.
Julia Görges hatten viele schon als ewiges Talent abgeschrieben, als eine deutsche Anna Kurnikowa: schön, aber erfolglos.
Bei ihr sieht man, wohin planvolle, systematische Arbeit führen kann. Sie hat einen erfahrenen Trainer an der Seite, und sie weiß jetzt endlich, was man tun muss, um erfolgreich zu sein im Profitennis.
Die Karrieren von Petkovic und Görges zeigen auch: Man muss nicht zwangsläufig schon mit 17 oder 18 voll auf Tennis setzen.
Absolut. Ich bin voll dafür, dass die Mädchen ihren Schulabschluss machen, am besten sogar Abitur. Heute gibt es einen anderen Zeithorizont, genau wie im Herrentennis, in dem man erst mit 23, 24 soweit ist, um in der Spitze mitzumischen.
Ärgert es, dass Tennis im Fernsehen in Deutschland ein Suchspiel geworden ist?
Es hilft nicht, zu jammern und zu klagen. Wir müssen uns in eine Situation bringen, wo wir sportlich so attraktiv sind, dass man an uns nicht vorbeikommt. Da sind wir jetzt auf einem guten Weg.
Sie sind noch in regelmäßigem Kontakt zu Ihrer alten Freundin Steffi Graf. Nimmt sie noch wahr, was sich im deutschen Damentennis tut?
Ja. Sie fragt immer nach, will wissen, wie die Entwicklung bei den Spitzenspielerinnen verläuft. Steffi hatte da zuletzt besonders Sabine Lisicki im Auge, die sich ja auch wieder nach oben kämpft. Aber sie hat gleichzeitig auch eine Riesendistanz zum Tennis, führt ein Leben in einer ganz anderen Welt. Sie spricht selbst nie mehr über ihre Tenniszeit, ihre Erfolge. Das tun nur noch die anderen.
Haben Sie den Eindruck, dass die jetzige Spielerinnengeneration noch an Grafs Karriere gemessen wird, dass da ein Erfolgsdruck besteht?
Da gibt es gar keinen Zweifel. Das war auch bei Lisicki so, die man in Anlehnung an Steffi und Boris gleich „Fräulein Bum-Bum" taufte. Und wenn eine Petkovic hier ins Viertelfinale einzieht, steht in der Zeitung: Die erste, die das seit Steffi 1999 schafft. Also nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ist Steffi immer noch ein Maßstab für jede deutsche Spielerin.
Interview: Jörg Allmeroth