Vladimir Lucic im AZ-Interview: "Ich bin ganz bestimmt nicht glücklich damit"
München - AZ-Interview mit Vladimir Lucic: Der 33-Jährige ist seit 2016 nach Stationen bei Partizan Belgrad und Valencia beim FC Bayern. Seit dieser Saison ist der Serbe auch Kapitän.
AZ: Herr Lucic, fühlen Sie sich inzwischen ein bisschen als Bayer in Ihrer siebten Saison?
VLADIMIR LUCIC: Dass ich die Sprache nicht spreche, ist etwas komisch, nicht nur bayerisch, sondern Deutsch allgemein. Aber uns geht's großartig hier. Wir haben guten Kontakt zur Nachbarschaft. Meine beiden Töchter gehen in den Kindergarten, da hat man auch Kontakt zu anderen Eltern. Wir mögen alles, was das Leben abseits des Basketballs angeht. Aber auch wie die Dinge sich auf dem Parkett entwickelt haben, damit bin ich glücklich. Immer wenn ich die Optionen nebeneinandergelegt habe, war Bayern die beste Wahl.
Vladimir Lucic spricht noch kein Deutsch
Sie sind noch bis 2025 gebunden. Wird's bis dahin ein Interview auf Deutsch geben?
(lacht) Ich hoffe, ich will nicht dauernd Ausreden haben. Wenn man mich vor sechs Jahren gefragt hätte, ob es sein kann, dass man nach so langer Zeit kein Interview auf Deutsch gibt, hätte ich es nicht für möglich gehalten. Ich habe Spanisch ganz schnell gelernt in vier, fünf Monaten – ohne dass ich Sprachunterricht hatte.
Was ist hier anders?
Ich bin umgeben von Leuten, die vom Balkan stammen, da sprechen wir die gleiche Sprache und außerdem wurde ich irgendwie bequem, weil jeder Englisch kann. Diese sechs Jahre sind auch wahnsinnig schnell vergangen. Aber jetzt gehe ich es an, obwohl wir so einen verrückten Spielplan haben. Meine ältere Tochter spricht fließend Deutsch, die jüngere ist seit ein paar Wochen im Kindergarten, das wird auch schnell gehen. Schon allein deshalb muss ich besser werden. In meinem letzten Jahr werden wir ganz bestimmt Deutsch sprechen.
"Der Druck und die Verantwortung liegen bei mir"
Zum Sport: Wie schwierig ist es aktuell nach den drei Niederlagen vergangene Woche?
Es ist kompliziert, gar keine Frage. Jeder von uns hasst es, zu verlieren. Wir haben auch in der letzten Saison recht langsam angefangen. Wir hatten unsere Schwierigkeiten mit Covid-Fällen, aber auch mit Verletzungen. Das ist ähnlich, uns fehlen fünf Spieler im Moment. Dann waren einige bei den Nationalteams und sind erst spät zur Mannschaft gestoßen. Wir haben noch nicht so zusammengefunden, wie es sein müsste. Ich bin ganz bestimmt nicht glücklich damit, wie die Saison bisher läuft und hoffentlich können wir das als Team umdrehen.
Wie viel Last liegt auf den Schultern des Kapitäns?
Definitiv bin ich einer der Anführer, der größte Druck und die größte Verantwortung liegen bei mir und ein paar anderen Jungs. Ich bin bereit, mich dieser Herausforderung zu stellen. Aber das ist kein Einzelsport, eine Menge muss das Team gemeinsam hinkriegen. Das gilt für den Jüngsten bis zum Erfahrensten.
Mögen Sie so fordernde Situationen sehr?
Klar. Wenn du eine Niederlagenserie hast, wenn's Auf und Ab geht, das gehört zu jedem Team. In einer Saison, mit 80 und mehr Spielen: Ohne Ausreden zu suchen – wenn du die Probleme siehst, mit denen wir seit Saisonbeginn konfrontiert sind – dann sollten wir das Ganze im Blick haben und uns darauf konzentrieren, einfach besser zu werden und die Dinge mit einem Sieg zu heilen. Das ist der einzige Weg, sich besser zu fühlen.
"Es ist immer etwas Besonderes, gegen Roter Stern in meiner Heimatstadt zu spielen"
Letztes Jahr ist der FC Bayern auch mit vier Niederlagen in die Euroleague gestartet und hat sich in die Playoffs gekämpft. Ist das wieder möglich, wo jeder sagt, die Teams sind noch stärker geworden?
Exakt, die Euroleague ist stärker, viel herausfordernder. Aber natürlich geht das. Wenn du ein Spiel vorbereitest mit der Einstellung, dass es nicht klappt, dass lass' es gleich sein. Wir müssen darauf vertrauen, dass alle Verletzten bald zurückkommen, dass wir eine richtige Teamchemie entwickeln und einfach Wege finden, die Spiele zu gewinnen.
Ist das Spiel am Freitag bei Roter Stern Belgrad nach der Zeit noch besonders?
Es ist immer etwas Besonderes, gegen Roter Stern in meiner Heimatstadt zu spielen. Sie haben ihre eigenen Schwierigkeiten, sind neben uns die einzigen, die mit 0-4 gestartet sind. Nemanja Nedovic, ihr Anführer, ist zurück und wird gegen uns spielen. Sie spüren den Druck genauso wie wir. Aber es ist eine der schwierigsten Hallen in Europa, in der du spielen kannst, die Unterstützung der Fans für Roter Stern wird riesig sein. Das wird eine riesige Herausforderung.
Ist die Rivalität zwischen Partizan und Roter Stern so heftig wie im Fußball?
Das ist sie. Die gleiche Rivalität, die gleiche Leidenschaft, einiges ist echt etwas verrückt. Zwischen beiden Teams ist die Rivalität auf jedem Niveau, in jeder Sportart gleich intensiv. Das Verhältnis zwischen ihren Fans und mir hat sich sicher nicht verändert.
Die Saison wird extrem belastend. Ist das nicht irgendwann zu viel?
Seit Mitte August spiele ich quasi alle zwei Tage oder an aufeinanderfolgenden Tagen. Von der Physis wird das wohl die herausforderndste Saison überhaupt. Ich bin auch älter geworden. Man kann nur noch mehr auf seinen Körper achten und versuchen, so gut wie möglich zu regenerieren. Es ist Teil des Geschäfts, alle wollen mehr und mehr Spiele. Die Spieler zahlen den Preis, aber auf gewisse Art haben wir Spaß daran. Es gibt Für und Wider.
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