Ex-Trainer der Münchner Basketballer Svetislav Pesic: "Ich warte in Belgrad auf Bayern"

AZ-Interview mit Svetislav Pesic: Der 72-Jährige trainierte sowohl die Basketballer des FC Bayern (2012-2016) als auch die des FC Barcelona (2002-2004, 2018-2020). Aktuell arbeitet er als serbischer Nationalcoach.

AZ: Herr Pesic, den Basketballer des FC Bayern ist in der Viertelfinalserie gegen den FC Barcelona mit einem 90:75-Auswärtssieg der 1:1-Ausgleich gelungen. Sie waren vor Ort im Palau Blaugrana. Wie bewerten Sie diesen Coup des FCBB?
SVETISLAV PESIC: Barça ist der Favorit, hat grundsätzlich mehr Potenzial. Ich habe aber absolute Dominanz der Bayern gesehen. Im Grunde war es das gleiche Spiel wie das erste, aber diesmal hat Bayern auch seine Würfe getroffen - vor allem Deshaun Thomas und Andi Obst. Das war der Unterschied. Das war ein großartiger Sieg und Erfolg für Bayern.
Svetislav Pesic stolz über den Erfolg der FC Bayern Baskeballer
Macht es Sie stolz, Ihre beiden ehemaligen Mannschaften im Duell ums Final Four der Euroleague zu sehen?
Natürlich. Ich war Teil beider Vereine. Als serbischer Nationaltrainer könnte ich leicht sagen: Mich interessieren nur die Spieler, nicht der Verein. Wenn Sie mich aber fragen, für wen mein Herz schlägt, dann muss ich sagen: etwas mehr für Bayern. Ich lebe in München, bin weiter großer Basketball- und Fußball-Fan von Bayern. Das gilt auch für Barça, aber etwas mehr für Bayern. Vielleicht auch, weil Barcelona sowieso der Favorit ist. Bayern ist für mich aber auch kein Außenseiter.
Was erwarten Sie nun in Spiel drei (Mi., 20.30 Uhr)?
Das wird ein sehr interessantes Spiel am Mittwochabend, in voller Halle. Bayern braucht die Fans, um zusätzliche Energie zu bringen. Die Mannschaft spielt jetzt viel besser. Es sieht so aus, dass sie sich gefunden haben. Sie haben durchaus Argumente, zu hoffen, das dritte Spiel zu gewinnen. Das wird aber natürlich nicht einfach. Denn Barcelona hat Potenzial, ist der Topfavorit, die Euroleague dieses Jahr zu gewinnen. Aber das Team der Bayern gefällt mir sehr. Sie spielen wie eine Mannschaft - in der Verteidigung und Offensive. Andrea Trinchieri macht einen exzellenten Job.
"FC Barcelona hat großen Respekt vor Bayern München"
Der fürchtet, Barcelona sei aufgrund der Heimniederlage "sauer" und wolle Bayern nun "zerstören". Ist Barça noch mal mehr angestachelt?
Es geht nicht um Motivation, sondern um Verantwortung. Sie müssen! Denn Barcelona hat nur ein Ziel: nicht, sich für das Final Four zu qualifizieren, sondern es zu gewinnen. Der Druck ist definitiv auf ihrer Seite. Sie haben sehr großen Respekt vor Bayern München. Spiel drei ist jetzt definitiv das Spiel der Saison für Barcelona.
Haben Sie sich mit Trinchieri und Ihrem Sohn Marko, der Geschäftsführer des FCBB ist, im Vorfeld ausgetauscht?
Das Hotel der Bayern war in der Nähe von meinem Haus in Barcelona. So konnte ich sie besuchen und schon da den besonderen Teamspirit erkennen. Damit kann man das etwas größere Talent und individuelle Potenzial, das Barça hat, kompensieren.
Hat Trinchieri sich auch Tipps bei Ihnen geholt, wie man Barça besiegen kann?
Wir reden nicht nur jetzt, sondern tauschen uns auch viel aus, wenn ich in München bin. Basketball ist immer Thema bei uns. Er ist eine sehr interessante Person. Ich bin ja etwas älter als Andrea, und er hat großen Respekt vor meiner Meinung. Ich habe aber auch großen Respekt vor seiner Arbeit. Das war auch schon früher so, als er Bamberg trainiert hat - und ich Bayern. Wir haben auch über Barcelona gesprochen, aber nicht allzu viel. Er hatte schon sehr klare Ideen, wie man gegen Barça spielen kann. Manchmal ist es nicht intelligent, seine Ideen mit anderen zu mischen.
"Bayern sollte nur an das nächste Spiel denken"
Und die Verantwortlichen des FC Barcelona haben auf Ihren Rat verzichtet?
Mit dem Trainer habe ich nicht gesprochen. In der Halle habe ich aber meine Freunde im Verein und vom Präsidium kurz getroffen, das war super. Einige Spieler haben mich begrüßt, das war aber alles.
Reisen Sie nun auch zu Spiel drei und vier nach München?
Nein, einige Leute müssen schließlich auch arbeiten. (lacht) Ich fliege jetzt nach Belgrad und werde die Spiele am Fernseher schauen. Ich warte aber in Belgrad - wo ja das Final Four stattfindet - auf Bayern. Es würde mich freuen, wenn sie sich dafür qualifizieren und wir uns dort wiedersehen.
Wie stehen die Chancen dafür? Worauf kommt es an?
Barcelona hat auf allen Positionen mehr Talent, Potenzial und Erfahrung. Mit Teambasketball, Teamspirit und der ausverkauften Halle im Rücken kann Bayern das aber ausgleichen. Bayern sollte nur an das nächste Spiel und nicht schon ans Final Four denken. Das gilt für Spieler und Fans: nicht zu große Erwartungen haben. Aber der Glaube an die Mannschaft ist auf jeden Fall da.
Wie sehen Sie die Rolle Ihrer beiden serbischen Nationalspieler Vladimir Lucic und Ognjen Jaramaz darin?
Lucic ist der absoluter Leader der Mannschaft. Wenn er gut spielt, spielt auch die Mannschaft auf hohem Level. Jaramaz ist ein junger Spieler, der seine erste Saison außerhalb von Serbien spielt, in einem neuen Land, bei einem neuen Verein. Er ist ein sehr guter Junge, der viel Talent hat. Er wird von Jahr zu Jahr und von Spiel zu Spiel immer besser werden. In Spiel zwei hat er sehr gute Akzente gesetzt. Er entwickelt sich langsam zum Leistungsträger bei Bayern.
Jaramaz half auch dabei, das verletzungsbedingte Fehlen von Topscorer Darrun Hilliard (Schlüsselbeinbruch) zu kompensieren.
Das ist keine gute Nachricht. Alle anderen haben deshalb noch mehr gegeben. Eine ganze Meisterschaft kannst du ohne so einen Spieler nicht spielen, einige Partien aber schon. Das hat Bayern in dieser Saison ja schon mal zeigen müssen. Es ist sehr schade für Hilliard. Ich hoffe, dass Nihad Djedovic nach seiner langen Verletzungsmisere jetzt wieder richtig wichtig werden kann. Seine Erfahrung ist jetzt sehr gefragt, mit der er der Mannschaft immer noch helfen und den Unterschied ausmachen kann.