Eine Watschn als Weckruf für Bayerns Basketballer

München/Berlin - Man kann davon ausgehen, dass Uli Hoeneß am späten Sonntagabend mal wieder bei Herbert Hainer durchklingelte. Er bekomme regelmäßig nach den Spielen "um halb elf einen Anruf von Uli Hoeneß, ob mir bewusst wäre, was da genau passiert ist", verriet Hainer über seinen Vorgänger als Präsident des FC Bayern gerade im Podcast der Basketballabteilung "Open Court" mit einem Schmunzeln. Ein gutes Spiel hatten Bayerns Basketballer in diesem Fall nicht hinter sich - im Gegenteil. Umso mehr gab es dafür nach der 72:85-Niederlage des FCBB beim Erzrivalen Alba Berlin aufzuarbeiten.
Andrea Trinchieri resigniert am Spielfeldrand
Hoeneß und Hainer hatten dabei in der Schlussphase etwas beobachten müssen, was sie bislang nicht kannten: Cheftrainer Andrea Trinchieri verfolgte die letzten Minuten nahezu teilnahmslos. Bei 21 Punkten Rückstand versuchte der Trainervulkan, sich nicht mal mehr mit Gefühlsausbrüchen gegen die drohende Niederlage zu stemmen. Der sonst so impulsive Italiener hatte resigniert und ergab sich, wie das schon seine Mannschaft längst auf dem Court getan hatte, seinem Schicksal. Innerlich brodelte es freilich in ihm. Auf der Pressekonferenz öffnete sich das Ventil und die angestaute Wut brach heraus.
Eine der schlechtesten Leistungen seiner Karriere
"Dies war eine der schlechtesten Leistungen einer Mannschaft in meiner Trainerkarriere", schimpfte der 52-Jährige nach der deftigen Watschn, die die Berliner ihm und den Bayern verpasst hatten: "Das war ein beschämendes Spiel von uns und ist ein Weckruf für uns." Uninspiriert und ohne Energie waren die Münchner beim amtierenden Meister und Pokalsieger untergegangen - obwohl dem neben dem coronainfizierten Trainer Aito Garcia Reneses in Peyton Siva, Luke Sikma, Marcus Eriksson und Niels Giffey etliche Schlüsselspieler fehlten und deshalb sogar zwei Kaderplätze frei blieben.
Erste Niederlage gegen Alba seit 2018
"Wir waren zu zehnt und haben gekämpft", sagte Ex-Bayer und Neu-Berliner Maodo Lo: "Wir haben uns vor dem Spiel gesagt, dass wir heute gegen eine der besten Mannschaften Europas antreten." "Enttäuschend und peinlich" fand Trinchieri deren Auftritt, "denn wir haben im Gegensatz zu Berlin nicht verstanden, welches Spiel das ist, nämlich Alba gegen Bayern." Seit Dezember 2018 hatte der FCBB ausnahmslos jedes Kräftemessen der beiden Basketballschwergewichte gewonnen, zuletzt auch noch das nationale Duell in der Euroleague mit 90:72. In der europäischen Königsklasse hatten die Bayern noch am Mittwoch ihre herausragende Hinrunde mit dem Erfolg gegen Barcelona gekrönt.
Verletzte Spieler sind keine Entschuldigung
Vier Tage später erlebten sie nun bei den ersatzgeschwächten Berlinern ein denkwürdiges Debakel. Dass Fehlen von Vizekapitän Vladimir Lucic, der schon zuletzt aufgrund von Rückenproblemen pausierte, taugt dafür genauso wenig als Entschuldigung wie der Ausfall von Zan Mark Sisko (muskuläre Probleme). In der Bundesliga gilt - im Gegensatz zur Euroleague - ohnehin eine Beschränkung von sechs ausländischen Spielern im Kader. Auch deshalb ist bei den Bayern, die aktuell neun ausländische Profis beschäftigen, schon länger ein deutlicher Leistungsabfall in der Bundesligarotation zu beobachten.
Blick auf Europa gerichtet
Auch wenn die Bayern stets betonen, dass die Meisterschaft für sie nach wie vor der wichtigste Titel für sie ist, richten sich ihre Blicke mehr und mehr nach Europa. Hainers zukünftiges Ziel ist es, "dass wir in der Euroleague in die Playoffs und dann auf Dauer in eine Spitzenstellung kommen", wie er im Bayern-Podcast erneut erklärte. "Ich glaube schon, dass der FC Bayern Basketball ein Zugpferd in Europa sein kann", ergänzte Hoeneß, der ihm gegenüber saß, "es wäre ein Traum, wenn der FC Bayern auch im Bereich Basketball federführend wäre." Zunächst muss er das aber in der Bundesliga im Duell mit Berlin erst mal wieder werden. Am späten Sonntagabend gab es also definitiv einiges zu besprechen.