Die Titan-Bayern: Mit dem Kahn-Motto ins Finale gegen Mailand
München - Andrea Trinchieri verzog das Gesicht. "Warm", sagte der Trainer des FC Bayern Basketball, nachdem er einen Schluck aus der für ihn bereitgestellten Colaflasche getrunken hatte, auf Deutsch und fügte mit einem Augenzwinkern auf Englisch hinzu: "Ich habe schon für weniger getötet."
Wie die Bayern das Unmögliche möglich gemacht haben
Der Siegestrunk mag vielleicht ganz und gar nicht nach seinem Gusto gewesen sein, der Rest des Freitagabends schmeckte für den Italiener und sein Team dafür umso mehr nach einem großen, süßen Triumph. Denn das war's noch nicht!
Die Bayern haben nämlich das scheinbar schon Unmögliche möglich gemacht und die Viertelfinalserie der Euroleague-Playoffs gegen Olimpia Mailand nach 0:2-Rückstand doch noch zum 2:2 ausgeglichen.
Das entscheidende fünfte Spiel
Nachdem sie zuvor zwei Auswärtsniederlagen kassiert hatten, gewannen die Münchner auch ihr zweites Heimspiel gegen den Mitfavoriten und erzwingen damit nun tatsächlich das entscheidende fünfte Spiel, das am Dienstag (20.45 Uhr) wieder in Trinchieris Geburtsstadt ausgetragen wird.
Mit Spiel vier fügten die Bayern ihrer Euroleague-Reise einen weiteren äußerst dramatischen Akt hinzu. Nach zwischenzeitlich bereits 13 Zählern Rückstand, drehten sie die Partie in den Schlusssekunden noch und buchten damit den Last-Minute-Trip zum finalen Showdown in Mailand.
"Eigentlich haben wir das Spiel fünfmal verloren"
"Was für ein Spiel, was für eine Serie, was für ein Gegner, was für eine Dramatik", sagte Trinchieri. "Eigentlich haben wir das Spiel fünfmal verloren. Aber irgendwie ist in dieser Saison alles möglich", sagte Geschäftsführer Marko Pesic. Die Münchner bewiesen nicht zum ersten Mal große Nehmerqualitäten.
Schon in der regulären Saison hatten Bayerns Comeback-Könige elf ihrer 21 Siege noch nach einem zweistelligen Rückstand gefeiert. "Wir standen 0:2 in Mailand und stehen jetzt vor einem fünften Spiel. Wer hätte das vorher gedacht?", sagte Pesic: "Das ist schon historisch und eine großartige Leistung."
Spielentscheidende Szene 23 Sekunden vor Schluss
Während der nervenaufreibenden Schlussphase hatte es ihn längst nicht mehr auf seinem Stuhl gehalten, stattdessen tigerte der 44-Jährige hinter Bayerns Korb entlang - und litt und jubelte von dort aus mit der Mannschaft mit. Vor allem in der spielentscheidenden Szene 23 Sekunden vor Schluss.
Der überragende Paul Zipser (16 Punkte), der sein Team mit zwei spektakulären Dunks über den Gegner hinweg und wichtigen Dreiern im Spiel gehalten hatte, leitete da die 83:82-Führung ein.

"Da schmeißt der Typ einen Alley-oop-Pass auf Lucic, 20 Sekunden vor Schluss", sagte Pesic: "Ich habe gedacht: Was macht der?! Das ist verrückt." Er dürfe das nicht sagen, "aber Oliver Kahn hat's mal gesagt. Die haben diese Dinger gezeigt", sagte Pesic in Anspielung auf den "Eier-Spruch" des einstigen Torwart-Titans über die beiden Matchwinner der Bayern.
Edmund Stoiber riss es vom Stuhl
"Wenn du ein Spiel mit einem Alley oop in den letzten 20 Sekunden gewinnst", kommentierte Trinchieri die spektakuläre Szene, "dann bist du entweder total verrückt oder eben wirklich speziell." Auch FCBB-Trainerlegende Svetislav Pesic und Aufsichtsrat Edmund Stoiber riss es in diesem Moment auf den ansonsten coronabedingt nahezu leeren Zuschauerrängen von den Sitzen.
Beide schauten sich an und jubelten sich mit ausgestreckten Armen zu. "Ich hatte wenig Lust, heute zu verlieren, aber da war ich nicht der Einzige", sagte Zipser und kündigte vor dem entscheidenden Duell an: "Es wird Zeit, den ersten Sieg in Mailand zu holen."
Die Reise in die Lombardei starteten die Bayern am Sonntagabend von Göttingen aus. Denn dort hatte die BBL am Nachmittag noch eine Bundesligapartie vorgesehen, die die Bayern mit 102:90 gewannen. Der Fokus der Bayern war freilich aber schon dabei längst auf das anstehenden Finale in Mailand gerichtet.