Zwischen Luxusproblemen und Härtefällen: Jetzt ist Bayern-Coach Nagelsmann als Moderator gefragt

Bochum/München - Wer war nochmal Robert Lewandowski? Seit dem Abgang der jahrelangen Torgarantie spielt der FC Bayern richtig befreit auf und versetzt die Konkurrenz in der Bundesliga in Angst und Schrecken.
Drei Bundesligaspiele, drei Siege, 15:1 Tore – so stürmisch sind nicht mal die überragenden Triple-Bayern der Saison 2012/13 gestartet. Das 7:0 beim bemitleidenswerten VfL Bochum war der zweithöchste Auswärtssieg der Klubgeschichte, inklusive Supercup stehen die Münchner bei 18 Auswärtstoren in drei Spielen. Da möchte man sich fast schon fragen: Wer oder was soll diese Mannschaft aufhalten?
FC Bayern: Nagelsmann nimmt gegen Bochum erstmals Startelf-Wechsel vor
Das Fehlen eines klassischen Neuners an vorderster Front macht sich bei den Bayern in der Frühphase dieser Saison keineswegs negativ bemerkbar, im Gegenteil. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren, als man noch verstärkt auf das Flügelspiel setzte, wirken die Münchner nun wesentlich variabler und sprühen nur so vor Spielfreude.
Grund dafür ist auch die enorme Breite im Kader, der im Sommer punktuell und gezielt verstärkt wurde. Nachdem Nagelsmann in den ersten drei Spielen dieser Saison noch auf dieselbe Startelf setzte, nahm er gegen Bochum erstmals drei Wechsel vor: Matthijs de Ligt, Leroy Sané und Kingsley Coman rückten für Supertalent Jamal Musiala, Alphonso Davies (beide angeschlagen nicht im Kader) und Serge Gnabry in die erste Elf. Anpassungsprobleme? Fehlanzeige!
Die Startelf-Debütanten des FC Bayern legen furios los
In Bochum eröffnete etwa der zuletzt einmal mehr in der Kritik stehende Sané den Torreigen mit einem satten Rechtsschuss in den Winkel, auch sonst zeigte sich der Angreifer extrem agil und spielfreudig. Wenn er "100 Prozent Bock" habe, meinte Nagelsmann nach der Partie, sei der 26-Jährige "einer der besten Spieler in Europa".
Selbiges gilt auch für Kingsley Coman, der nach abgesessener Rotsperre gleich einen Treffer und drei Torvorlagen beisteuerte. Startelf-Debütant de Ligt, im Sommer als neuer Abwehrboss für fast 70 Millionen Euro von Juventus Turin verpflichtet, trug sich ebenfalls in die Torschützenliste ein.
Mit Blick auf die Saison, die für die Bayern im Optimalfall insgesamt mehr als 50 Pflichtspiele sowie mit der Winter-WM in Katar einige Unwägbarkeiten mit sich bringt, könnte sich die Kaderbreite und der enorme Konkurrenzkampf als entscheidender Faktor erweisen. Dies habe man bei der Kaderplanung im Sommer bewusst im Hinterkopf behalten, wie Sportvorstand Hasan Salihamidzic am Sonntag erklärte.
Nagelsmanns Luxusproblem: Wer muss aus der Startelf weichen?
"Wir wollten den Kader in der Breite vergrößern. Wir haben uns in den letzten Jahren etwas anhören müssen, dass der Kader nicht so breit war, aber wir hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten", erklärte Salihamidzic, der in den vergangenen Jahren wegen seiner Kaderplanung immer wieder in der Kritik gestanden hatte. Mit seinen Transfers im Sommer hat der Sportvorstand seine Kritiker verstummen lassen, der aktuelle Kader scheint für die traditionell extrem ambitionierten Ziele beim deutschen Rekordmeister bestens gerüstet zu sein.
Stellt sich die Frage: Wer aus der furios aufspielenden Startelf von Sonntag muss beim nächsten Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach (Samstag, 18.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) um seinen Platz bangen? Der in den ersten Saisonspielen sensationell aufspielende Musiala dürfte schließlich ebenso zurückkehren wie Davies, der aufgrund leichter Oberschenkelprobleme sicherheitshalber geschont wurde. Beide drängen zurück in die erste Elf.
Trotz starker Leistungen: Mehreren Stars droht die Bank
Sané, Gnabry und Coman haben derweil zuletzt eindrucksvolle Stammplatz-Bewerbungen abgegeben und hegen Ansprüche auf weitere Einsätze. Genauso de Ligt, der mit den zuletzt stark aufspielenden Lucas Hernández und Dayot Upamecano um einen der zwei Plätze im Abwehrzentrum konkurriert. Keiner der Genannten hat bislang einen Grund gegeben, ihn aus der Mannschaft zu nehmen. Zwangsläufig werden mehrere davon aber weichen müssen.
Ein Luxusproblem, freilich. Aber eben eines, das moderiert werden will und muss. Nagelsmann ist sich seiner Rolle als Kommunikator bewusst, wie er zuletzt mehrfach betonte. Der 35-Jährige hebt viel mehr die Vorteile des Konkurrenzkampfes hervor. Es reiche nicht mehr nur eine gute Leistung im Spiel, um sich für die erste Elf zu qualifizieren. Auch im Training müsse man immer Vollgas geben, sagte er am Sonntag gegenüber "DAZN".
Straffes Programm: Bald beginnen für den FC Bayern die Englischen Wochen
Ohnehin scheint bei den Bayern im Vergleich zur Vorsaison, als "nur" die zehnte Meisterschale in Folge den Trophäenschrank bereicherte, ein anderer Geist zu herrschen. Nagelsmann schwärmte in Bochum von einer besonderen Stimmung in der Mannschaft: "Jeder gönnt jedem alles." Es herrsche eine "gute Energie, die letztes Jahr nicht immer da war".
Ohnehin wird sich das Luxusproblem bald von selbst lösen. Ab der kommenden Woche sind die Münchner nicht mehr nur in der Bundesliga, sondern auch im DFB-Pokal gefordert, in der Woche darauf startet die Gruppenphase der Champions League. Ab dann werden die Spieler bis zur WM im November durchgängig im Drei-Tage-Rhythmus gefordert sein. Der Kader scheint bereit dafür.