Zwischen Anspruch und Arbeit: Analyse zu den Problemen des FC Bayern

Nur 1:1 in Salzburg: Erstmals in der Ära Nagelsmann bleibt der FC Bayern in zwei Spielen hintereinander ohne Sieg. "Wir sind nicht in einem Flow, dass alles von allein läuft", sagt Kimmich. Eine AZ-Analyse.
von  Patrick Strasser
Auch Thomas Müller war mit der Leistung seiner Mannschaft in Salzburg unzufrieden.
Auch Thomas Müller war mit der Leistung seiner Mannschaft in Salzburg unzufrieden. © imago images/kolbert-press

München - Wenn ein Trainer direkt nach Schlusspfiff quer über den Rasen zum Schiedsrichter eilt, um diesem seinen Unmut mitzuteilen und diskutieren zu wollen, steckt immer tiefer Frust dahinter. Meist über die Leistung der eigenen Mannschaft und das Ergebnis.

Aber es muss raus. Nach dem 1:1 seines FC Bayern schimpfte Chefcoach Julian Nagelsmann wenig später vor den Mikrofonen über eine Strafraum-Szene wenige Sekunden vor dem Schlusspfiff. Thomas Müller wurde von Salzburg-Keeper Köhn ein wenig bedrängt, die Szene jedoch abgepfiffen.

Nagelsmann stocksauer über Schiedsrichter-Pfiff

"Der Schiedsrichter sagt mir, das war ein falscher Pfiff! Da frag' ich, warum haben wir diesen viel beschriebenen VAR? Da lässt man es weiterlaufen, schaut es sich dann an, ob Leroy den Ball in ein nur noch mit Feldspieler besetztes Tor schießt - und wenn's ein Foul war, nimmt man den Treffer zurück."

Nach dem Ausgleich von Kingsley Coman in der 90. Minute hätte Sané in der Nachspielzeit noch das 2:1 für die Münchner draufpacken können - wenn auch unverdient. Nagelsmann haderte: "Ich verstehe nicht, warum wir Abseitspositionen 28 Minuten weiterlaufen lassen und dann erst pfeifen. Hier hätte man auch abwarten können. Das war eine hundertprozentige Torchance. Eine unfassbar schlechte Entscheidung!"

Erstmals seit Amtsantritt von Nagelsmann blieben die Bayern in zwei Spielen hintereinander ohne Sieg. Nach der 2:4-Pleite beim VfL Bochum schuftete man sich zu einem verdienten, aber glücklichen 1:1 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League.

Nagelsmann: "Wir wollten hier mehr als 1:1 spielen"

"Wir haben nicht absichtlich in Bochum verloren, so etwas geht auch nicht spurlos an einem vorbei. Wir wollten hier mehr als 1:1 spielen", erklärte Nagelsmann und Müller bekannte: "Wie wir zurückgekommen sind, war der richtige Weg und ein guter Schritt für uns. Aber klar, es war nicht das Wunschergebnis und nicht das Wunschspiel von uns."

Wiedergutmachung? Eher wurde mit dem Arbeitsremis ein erneuter Rückschlag verhindert. Die Bayern zwischen Anspruch und Arbeit, der aktuellen Wirklichkeit. Wie viele Spurenelemente einer Krise stecken in diesem mühsamen 1:1 bei einer Mannschaft, die erstmals in der Vereinsgeschichte das Achtelfinale der Königsklasse erreicht hatte? Eine Analyse der AZ.

Die spielerische Performance: Verbessert, aber immer noch dürftig. "Wir sind nicht in einem Flow, dass alles von allein läuft. Die erste Halbzeit war klar zu wenig, die zweite besser", meinte Joshua Kimmich.

Torjäger Robert Lewandowski wurde nicht in Abschlusssituationen gebracht, insgesamt zu umständlich agiert. In Nagelsmanns Trainer-Latein hört sich das so an: "Ich habe den finalen Ball vermisst. Wir haben den Raum hinter der Kette nicht ideal bespielt." Und in der Abwehr zeigte diesmal auch die Dreierkette Schwächen, was Abstimmung und Tempo betrifft. Aktuell ist die wacklige Defensive, unabhängig von der Formation, die größere Baustelle. Nagelsmann gibt zu: "Besonders beim Gegentor sahen wir schlecht aus."

Kimmich kritisiert: "Wir brauchen den Siegeswillen in jedem Spiel"

Die Mentalität: Neben Lautsprecher Müller ist Kimmich für die Abteilung Motivation zuständig. Er haderte: "Wir brauchen den Siegeswillen in jedem Spiel." Und Ersatzkapitän Müller beklagt: "Uns fehlt manchmal der Mut, den weiten, hohen Ball in die Lücke zu spielen. Das hat auch bei den letzten Spielen gefehlt." Dass die Stimmungslage angeknackt ist, beweist Nagelsmanns Aussage: "Wir haben völlig verdient - und es ist scheißegal, ob spät oder nicht - den Ausgleich gemacht. Um in Europas Elite mithalten zu können, haben wir noch einiges zu tun. Aber wir haben eine herausragende Gruppenphase gespielt. Ich werde jetzt nicht die Welt untergehen lassen - auch wenn es medial gewünscht ist."

Die Ausgangslage: Im Rückspiel droht das Aus in der Champions League, da die kecken Salzburger nichts zu verlieren haben. Außerdem kommt ihnen die Abschaffung der jahrzehntelang gültigen Auswärtstorregel entgegen, da Bayern nun mit einem 0:0 nicht weiterkommt, sondern bei jedem Remis in die Verlängerung muss. "Wir waren in der zweiten Halbzeit dominant und haben so gespielt, wie es sich für uns gehört", meinte Nagelsmann, "so werden wir auch im Rückspiel auftreten und dann bin ich guter Dinge, dass wir weiterkommen."

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