Zwei Spiele ohne Sieg: Niko Kovac und der erste Kratzer
Viel von den Bayern war nicht zu sehen, am Wochenende an der Säbener Straße. Ganze sechs Profis trabten am Samstagnachmittag, 90 Minuten nach der Rückkehr aus Berlin, beim Auslaufen über den Trainingsplatz.
Müller, Gnabry, Martinez, Hummels, Wagner, Ulreich, alles Spieler, die am Freitag nicht in der Startelf standen. Und am Sonntag gab Niko Kovac seinen Spielern gleich ganz frei. Eine gute Gelegenheit zu reflektieren und in sich zu gehen. Und nachzudenken, was da eigentlich gerade schief läuft beim FC Bayern.
Kein Bayern-Sieg in zwei Spielen
1:1 gegen Augsburg, 0:2 bei der Hertha, ein Punkt aus zwei Spielen, das gab es zuletzt im November 2016. Fast trotzig klang es, als Niko Kovac nach Abpfiff raunte: "Die, die den Klub kennen, wissen, dass wir uns das nicht gefallen lassen werden."
Als seien sie gemein und unfair behandelt worden. Dabei waren die Bayern ganz einfach selbst schuld, gerade am Freitagabend im Berliner Olympiastadion. Mehr Ballbesitz, mehr Chancen, und trotzdem eine klare und verdiente Pleite. Von einer Krise zu sprechen, wäre noch zu früh, oder von den ersten Rissen. Erste Kratzer sind aber unübersehbar.
Gefragt ist nun vor allem Niko Kovac. Wie kann er die Mannschaft aufrichten, motivieren, wie kann er die Spieler erreichen, vor den zwei so wichtigen Spielen gegen Ajax Amsterdam am Dienstag in der Champions League und Borussia Mönchengladbach am Samstag in der Liga, den letzten beiden Partien der drei intensiven Englischen Wochen, bevor es dann in die Länderspielpause geht? Bayerns neuer Trainer steht vor seiner ersten Bewährungsprobe. Kovac muss sich jetzt das erste Mal richtig beweisen.
Dabei lief bisher alles nach Plan
Bis zum Dienstag, dem Remis gegen Augsburg, war noch alles blendend gelaufen. Sieben Pflichtspiele, sieben Siege, mit einem souveränen Lächeln moderierte Kovac galant all die lästigen kleinen Randerscheinungen weg. Wenn Arjen Robben etwa über seine Verbannungen auf die Bank grummelte, oder wenn Franck Ribéry über Auswechslungen moserte. Kovac schien das Team gut im Griff zu haben. Es harmonierte auf dem Platz, selbst Robert Lewandowski, der in der Vorsaison noch isoliert wirkte und als schlecht gelaunter Einzelgänger seine Tore schoss, hatte wieder Spaß mit den Kollegen. Hier ein Jux, da ein Scherz, ach, du schöne fröhliche Bayern-Welt. Der Erfolg gab Kovac Recht.
Am Freitag in Berlin war es mit der Heiterkeit dahin. Hadernd schimpften gerade die Offensivkräfte aufeinander ein, Lewandowski und Gnabry, Müller und Wagner, stimmungsmäßig knirschte es gewaltig. Wenig verwunderlich, bei 24 Torschüssen und keinem einzigen Treffer.
Jetzt muss Kovac ran und liefern
Hier ist nun Kovac gefragt. Autorität demonstrieren, die Spieler erreichen. Auch Unruheherde wie die Altstars Ribéry und Robben zu bändigen. Der Holländer wirkte auch am Freitag wenig erfreut über seine Auswechslung, dabei war das Spiel in Berlin eines seiner allerschlechtesten in den vergangenen Jahren. Kovac muss es richten. Bei weiteren Misserfolgen könnte ansonsten das Nörgeln einzelner Spieler über ihre jeweilige Situation lauter werden. Die Bayern müssen jetzt erst einmal lernen, sich auf die plötzliche Verwundbarkeit einzustellen. Eine ungewohnte Situation, wie auch Thomas Müller einräumte: "Vor einer Woche hatte man noch den Eindruck, wir sind unbesiegbar. Jetzt hat uns ein bisschen die Realität eingeholt." Fühlten sich die Bayern bereits zu sicher, zu überlegen? Machten sich gar schon Selbstgefälligkeit und Arroganz breit?
Deutlich fiel die Kritik von Joshua Kimmich aus. "Ich glaube nicht, dass das alles Pech ist, wir müssen uns es schon auch wieder erarbeiten", sagte der Rechtsverteidiger, "weil wir die Vielzahl an Chancen nicht machen, aber hinten die Fehler. Das ist dann eine Sache von Qualität." Harte Worte.
Große Alarmstimmung schien aber zumindest bei Kovac nicht zu herrschen. "Ich sehe das alles sehr entspannt, weil ich weiß, dass wir Chancen hatten", erklärte der Trainer nach dem Spiel. "Es ist natürlich klar, dass man jetzt nur die letzten beiden Spiele sieht." Wenn man aber nach neun Pflichtspielen die erste Niederlage kassiert, "ist das gar nicht so schlecht, auch wenn unsere Ansprüche natürlich andere sind".
Der Anspruch ist nun vor allem ein klarer Sieg gegen Ajax Amsterdam am Dienstag. Und dann gegen Gladbach am Samstag. Sonst kommen bald die ersten Risse nach dem ersten Kratzer.
Noten: Fünf Mal die Fünf für die Pleite-Bayern