Zwei Bosse, aber kein Chef

Bei der Blamage in Köln wird deutlich, dass den Bayern ein Zampano fehlt – einer wie Effenberg, Kahn oder zuletzt van Bommel. Schweinsteiger und Lahm sind mit der Rolle bislang überfordert.
KÖLN Bastian Schweinsteiger hatte den Ball im Arm, beobachtete den Jubel der Kölner, wartete auf den Anstoß – soeben hatte Novakovic das 3:2 erzielt, das Stadion war eine Schunkel-Theke. Schweinsteiger schüttelte den Kopf. Kann das sein? Darf das sein? Er klatschte, munterte die Mitspieler auf, versuchte, wachzurütteln. Weiter, immer weiter. Sein Mentor hat ihm das mitgegeben, das Oliver-Kahn-Immer-Weiter. Doch diese Saison gehen nur die Pleiten der Bayern nach vorheriger Führung weiter, immer weiter.
Dabei soll Schweinsteiger „der Boss“ sein, der Motivator, der neue Mark van Bommel im Zentrum des Spiels. Sportdirektor Christian Nerlinger hatte nach dem Abschied des Kapitäns zum AC Mailand vor zwei Wochen die Losung ausgegeben: „Philipp Lahm ist der Kapitän, Bastian Schweinsteiger der neue Chef aufgrund seiner Position auf dem Platz.“ Eine nette Formel, eine zeitgemäße Aufgabenteilung im Sinne einer flachen Hierarchie, ganz Nationalmannschafts-like. Wer soll sie schon noch brauchen, die Haudegen aus der guten alten Zeit, diese Häuptlinge, diese Dazwischengrätscher? Diese Kahns? Diese Effenbergs? Ein angestaubtes Denken? Mitnichten. Der FC Bayern braucht einen solchen Typen. Dringender als gedacht.
Denn jetzt gibt es zwar zwei Bosse, aber keinen echten Chef. Lahm ist es nicht, vielleicht noch nicht. Er mag der perfekte Kommunikator intern sein, ein cleverer Kopf als Vermittler zwischen Mannschaft, Trainerstab, Verantwortlichen, Fans und Medien. Doch auf dem Platz fehlt diese einschüchternde Ausstrahlung. Wie immer stellte er sich später, fand klare Worte: „Wir haben in der Pause noch mal angesprochen, dass wir aggressiv rausgehen und auf die ersten Minuten aufpassen müssen. Das ist eine bittere Niederlage.“ Auch auf ihn hat offenbar keiner gehört.
Und Schweinsteiger? Er ist es auch nicht. Nicht auf dieser Position. Als Spielmacher, als Passgeber für Sturmspitze Mario Gomez agiert er zu weit vorne, kann das Spiel nicht so von hinten raus lenken wie er sich das vorstellt, nicht genügend auf die Mitspieler einwirken. Nach der Partie zog er sich zurück, kaum einen nehmen Niederlagen so mit wie ihn, doch auch das Erklären von Pleiten gehört zum Geschäft, lässt Spieler reifen. Intern ist er gerne mal laut, spricht Probleme klar an.
Mark van Bommel verkörperte beides, den Kommunikator, den Lahm eben, und den brachialen Zampano, den Schweinsteiger in spé. Hinter Lahm und Schweinsteiger klafft ein Vakuum, ein Problem dieses Teams. Die Mannschaft findet noch ihre Struktur, der Prozess läuft – doch der Zeitpunkt dafür ist ungünstig.
Patrick Strasser