Zwanziger: In die Isolation geschrieben
MÜNCHEN Es war spät am Samstagabend, der Rahmen überaus festlich noch dazu, als Theo Zwanziger einen weiteren Freund im deutschen Fußball verloren haben dürfte. „Eigentlich ist jedes Wort zu viel. Aber ich würde Uli Hoeneß nicht widersprechen”, sagte Wolfgang Niersbach beim Sportpresseball in Frankfurt.
Niersbach war zuvor genauso wie Bayern-Präsident Hoeneß Adressat einer ungewöhnlichen, ja fast unanständigen Schelte des früheren DFB-Präsidenten gewesen. Zwanziger bringt dieser Tage seine Autobiographie „Die Zwanziger Jahre” auf den Markt. Thema des Schinkens – und der die Veröffentlichung begleitenden Interviews: Zwanzigers Sicht auf den Fußball und die Welt. Und in dieser hat Theo Zwanziger so gut wie alles richtig und einige Wegbegleiter eher einiges falsch gemacht. Niersbach, Zwanzigers Nachfolger als DFB-Präsident, bekam den Ärger des pfälzischen Juristen zu spüren wegen dessen angeblich eher halbherzigen sozialen Engagements. „Mir ist aufgefallen, dass mein Freund und Nachfolger Wolfgang Niersbach mir zu schnell und zu oft die Rückkehr des DFB zum Kerngeschäft betont hat”, sagte Zwanziger der „Welt am Sonntag”.
„Kerngeschäft? Man kann mir ja vorwerfen, dass ich ein Sozialromantiker bin. Meine Botschaft ist aber, dass man beides tun muss: den sportlichen Bereich stark halten und sich der gesellschaftlichen Verantwortung stellen.” Zwanziger kritisierte, dass der Besuch der Gedenkstätte in Auschwitz vor der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine „zu schnell abgetan” worden sei: „Wer etwas Soziales macht, sollte das tun, weil er sich wirklich verpflichtet fühlt. Das muss man sichtbar machen. Das ist vor allem Sache des Präsidenten.”
Auch Uli Hoeneß, dem Zwanziger schon in seinem Buch mehr oder weniger unverhüllt diktatorisches Machtgehabe vorgeworfen und ihn als „Macho”, „Scharfmacher” und „Besserwisser” bezeichnet hatte, bekam in dem Interview noch mal sein Fett weg. „Er hat mich maßlos enttäuscht, vor allem im internationalen Bereich mit pauschalen Sprüchen der Kategorie ,Alle sind korrupt’ und ,Ich weiß alles besser’ und dem gleichzeitigen Fehlen der Bereitschaft, selbst Verantwortung zu übernehmen”, erklärte er.
Borussia Dortmund bezeichnete der Altendiezer zudem als „das bessere Modell”. Bayerns Rivale sei in seiner Führungsstruktur besser und klarer geordnet. Über Hoeneß sagte Zwanziger noch: „Er ist ein Mann, der unglaublich viel geleistet hat im Fußball. Er nutzt seine Bekanntheit aber leider nicht dazu, Gräben zuzuschütten, sondern er reißt sie auf.” Diesen Vorwurf muss Zwanziger sich freilich selbst gefallen lassen.
Der Konter aus München war kurz, aber deutlich. Zwei Sätze nur, doch die trafen Zwanziger ins Mark, „Dass Theo Zwanziger kein guter Präsident war, wusste ich schon lange”, sagte Uli Hoeneß am Samstag in der Allianz Arena. „Dieses Buch wird ihn nach seinem mehr als peinlichen Rücktritt endgültig in die Isolation treiben.” Anders gesagt: Zwanziger hat sich in die Isolation geschrieben. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge sekundierte: „Ich habe das Buch noch nicht gelesen. Und ich werde ich es auch nicht lesen.
Letzte Woche habe ich Louis van Gaal nicht verstanden, diese Woche verstehe ich Theo Zwanziger nicht. Das sind Indiskretionen. Ein DFB-Präsident müsste stil- und niveauvoll mit Diskretionen umgehen und sie nicht in der Öffentlichkeit kundtun. Von mir muss keiner erwarten, dass ich ein Buch schreibe, wenn ich aufhöre. Wenn ich etwas zu sagen habe, sage ich es direkt.” Und Redebedarf scheinen die Herren noch einigen zu haben.