Zum Niederknien

Im Moment des Triumphs, des 2:1 gegen Hoffenheim, erlebt Bayern-Trainer Jürghen Klinsmann „eine Explosion der Gefühle“, da tollt er mit den Spielern wie ein Kind vor der Fankurve herum. Wiederholung nicht ausgeschlossen.
MÜNCHEN Man stelle sich, Ottmar Hitzfeld hätte das getan. Mit seinem Mantel. Auf dem nassen Rasen! Oder Giovanni Trapattoni. Mit einem seiner Maßanzüge? Nein, niemals. Auch Felix Magath, ein Freund edlen Zwirns, hätte sich niemals in den Dreck geworfen, wäre niemals auf die Knie gesunken vor den Fans, sein Schal hätte ja darunter leiden können. Nein, auch er nicht.
Jürgen Klinsmann hat’s getan. Mit Inbrunst. An seine wilden Sprungeinlagen an der Seitenlinie nach Treffern für den FC Bayern hat man sich als Besucher der Allianz Arena gewöhnt, auch die Welle hat er nach dem Sieg bei Schalke (2:1) und dem Punktgewinn in Florenz (1:1) schon Hand in Hand mit seinen „Jungs“ (so nennt er die Spieler oft) gemacht, doch diese Jubel-Einlage nach dem 2:1 gegen Hoffenheim war neu. Klinsmann ging mit den Spielern vor die Kurve– im Anorak und trotz Anzughose. Zum Niederknien.
Kapitän Mark van Bommel, rechts von ihm, erklärte das Prozedere des „Humba-Humba-Tätärä“, das Keeper Michael Rensing mit den Zuschauern anstimmte. Als Spieler wie Fans aufsprangen und wie Kinder herumtollten, war Klinsmann mittendrin. Er hüpfte, er schubste, er strahlte. „Wenn man so ein Spiel, das so oder so hätte ausgehen können, in der letzten Minute gewinnt, dann bricht alles aus einem heraus, da genießt man so einen Moment“, erklärte Klinsmann später.
Er, der Spielertrainer. Jürgen, einer von ihnen. „Wir haben einen sehr engen Draht zum Trainer, er ist offen, wir können alles besprechen“, sagte der Brasilianer Zé Roberto, „man kann sagen: Er ist ein Teil der Mannschaft.“
Und genau so denkt Klinsmann auch. Es gibt ein Team. Er ist Mitglied des Teams, hat aber gleichzeitig das Sagen. Beim Jubel aber vergisst Klinsmann die Trennlinie. Wenn es aus ihm herausbricht. Wie früher als Spieler – auch da freute er sich exzessiv über Tore. So wird der Moment des 2:1 von Luca Toni in der Nachspielzeit Trainer und Mannschaft noch enger miteinander verbinden. Große Gefühle, große Gesten. Und dank einer Erinnerung zugleich ein Signal. „Die Stimmung am Freitag im Stadion erinnerte mich an den Sieg bei der WM 2006 gegen Polen. So etwas vergisst man nie. Das war eine Explosion der Gefühle“, sagte Klinsmann. Im zweiten Vorrundenspiel damals in Dortmund war es ein Last-Minute-Treffer von Oliver Neuville. Das dabei freigesetzte Adrenalin war der 12. Mann der DFB-Elf und trug sie bis ins Halbfinale.
Nun soll das Nikolausvorabend-Tor von Toni die Bayern bis zum Titelgewinn im Mai 2009 beflügeln. Damit Klinsmann noch oft auf die Knie fallen kann. „Das mit dem Kniefall muss keine einmalige Aktion gewesen sein“, meinte der Coach, „ich hoffe, dass es noch viele wichtige Spiele gibt, wo ich dazu Gelegenheit habe.“ Etwa schon am Mittwoch in Lyon, wenn die Bayern sich Gruppenplatz eins gesichert haben.
„Dass die Mannschaft so fit ist, das ist Klinsmanns Verdienst“, lobte Manager Uli Hoeneß, und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge meinte: „Der Jürgen macht einen guten Job, wir sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit.“ Was zumindest als Verbeugung gewertet werden kann.
Patrick Strasser