Zum Anführer gereift

Lauter Hymnen auf Bastian Schweinsteiger: Für Ex-Coach Hitzfeld spielt er „die Saison seines Lebens“, Oliver Kahn lobt den „tollen Charakter“. Van Gaal ist die Schlüsselfigur seiner Karriere.
LYON Jeden Tag geht Bastian Schweinsteiger an ihnen vorbei auf der Geschäftsstelle an der Säbener Straße. Nicht persönlich an Paul Breitner oder Stefan Effenberg, aber an den großen Fotos, die gerahmt an die größten Triumphe des Vereins erinnern. An 1974, als die Bayern mit Antreiber Breitner erstmals den Europapokal der Landesmeister gewannen und eine goldene Ära begann. Und an 2001, als es Effenberg war, der seine Mannschaft zum ersten Gewinn der Champions League führte.
Und plötzlich ist Schweinsteiger, ein Kind der Jugendabteilung, der mit 14 Jahren aus Rosenheim zum FC Bayern kam, kurz davor, bald ebenfalls mit dem Pokal aller Sehnsüchte in der Hand verewigt zu werden. Erstmals ist der 25-Jährige in einem Halbfinale der europäischen Königsklasse. Und viele Beobachter sagen, die Leistung beim 1:0 im Hinspiel gegen Lyon wäre die bisher beste des gebürtigen Kolbermoorers im roten Trikot gewesen.
45 Champions-League-Einsätze (plus 12 im Uefa-Cup) hat er bereits absolviert, nur Kapitän Mark van Bommel (65), Keeper Jörg Butt (55) und Arjen Robben (48) haben mehr Erfahrung auf höchstem Niveau. So saß Schweinsteiger am Montag nach der Landung in Lyon auch zum x-ten Mal auf dem Podium bei einer internationalen Pressekonferenz. Er wickelt diese Termine mit erstaunlicher Reife ab.
„Der Wille bei uns ist sehr groß. Wir haben eine Riesenchance, die wir nutzen müssen. Das Ergebnis aus Spiel eins hilft uns", sagte er kühl und forderte: „Die große Herausforderung wird es sein, zu Null zu spielen. Vorne machen wir immer unsere Tore. Das ist gut zu wissen. Aber: Alles schön und gut, wir haben noch keinen Titel erreicht." So spricht einer, der zum Anführers gereift ist. Was Trainer Louis van Gaal bestätigte: „Van Bommel und Schweinsteiger sind zwei sehr wichtige Spieler. Es sind neben Philipp Lahm zwei meiner drei Kapitäne."
Der holländische Coach ist eine der Schlüsselfiguren in der Karriere von Schweinsteiger. Er machte ihn zum zentralen, defensiven Mittelfeldspieler vor der Abwehr, erlöste ihn vom ständigen Auf und Ab auf den Flügeln.
„Schweinsteiger spielt die Saison seines Lebens. Er ist auf dem Sprung zur Weltklasse", sagt sein Förderer und Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld. „Diese Saison spielt er erste Sahne", lobte Ex-Kapitän Oliver Kahn, „er war einfach ein guter Junge mit einem tollen Charakter. Jemand, der besser werden wollte. Bei ihm hat man gemerkt, der will einfach. Mir hat die Einstellung gefallen, dass er bei Bayern eine Ära mitprägen möchte."
Eben. Wie Breitner. Wie Effenberg. In Lyon will Schweinsteiger zeigen, dass er neben Boss van Bommel auch vorangeht. Er, Le Chef. „Ich bin dritter Kapitän, habe auch Verantwortung für die Mannschaft", sagt er, „das alles trägt dazu bei, dass es derzeit so gut läuft für mich."
Am Ende der Saison könnte er sogar Breitner und Effenberg übertrumpfen. Denn das Triple gelang ihnen auch nicht. Dabei sind die Bayern nicht mal Schweinsteigers Vorbild. „Frank Lampards Art zu spielen, imponiert mir. Der findet die richtige Mischung.Ich versuche, mich mit nach vorne einzuschalten, wann immer es geht." Patrick Strasser