Zoff beim DFB: Rummenigge und Hoeneß lassen FC-Bayern-Kritiker abblitzen

München - Es ist vollbracht. Das lange Suchen und Warten, das Hin und Her, das neue Favoriten ins Spiel bringen und dann doch wieder Absagen kassieren, hat ein Ende. Der DFB hat endlich einen neuen Geschäftsführer Sport. Kein Sami Khedira, keine Nadine Keßler, der DFB setzt lieber auf ein altbekanntes Funktionärsgesicht: Andreas Rettig. Der 60-Jährige erhält diesen wichtigen Posten beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Das bestätigte der Verband zuletzt.
Rettig verantwortet künftig die Bereiche Nationalmannschaften und Akademie und tritt neun Monate vor der Heim-EM die Nachfolge von Oliver Bierhoff an, der nach dem WM-Debakel seinen Posten räumen musste.
Für die komplexe Aufgabe sei der 60-Jährige mit seiner Art genau der Richtige, meint DFB-Präsident Bernd Neuendorf: "Mit Andreas Rettig haben wir einen überaus erfahrenen, engagierten und durchsetzungsstarken Geschäftsführer gewonnen." Für die Erledigung der vielfältigen administrativen Aufgaben rund um die Nationalmannschaften und die Akademie bedürfe es "einer starken Persönlichkeit".
Andreas Rettig über DFB-Posten: "Möchte dazu beitragen, künftige Erfolge möglich zu machen"
"Ich freue mich auf die vor uns liegenden Herausforderungen. Unsere Nationalmannschaften repräsentieren Deutschland in seiner Vielfalt und Leistungsfähigkeit. Sie sind von großen Erfolgen und aktuellen Problemen geprägt", sagte Rettig. Und weiter: "Ich möchte dazu beitragen, künftige Erfolge der Nationalmannschaft wieder möglich zu machen und die Ausrichtung des DFB und das Auftreten seiner Mannschaften in allen Richtungen verbessern."
Das Engagement Rettigs hat eine äußerst pikante Note, eigentlich sogar zwei: Ausgerechnet der jetzige Nationalmannschafts-Sportchef Rudi Völler, der nun gemeinsam mit Rettig den Verband auf Vordermann bringen soll, bezeichnete seinen neuen Partner vor acht Jahren im Streit um die Verteilung der TV-Gelder an die Bundesligisten als "Schweinchen Schlau". Und: Der ehemalige DFL-Geschäftsführer ist bekannt für sein Auflehnen gegen die Entwicklungen im modernen Fußball à la "Robin Hood" und für seine Sticheleien gegen den FC Bayern.
Andreas Rettig bezeichnet Jugendarbeit des FC Bayern als "desaströs"
In der Vergangenheit wusste Rettig stets, wie man Giftpfeile in Richtung Säbener Straße schießt. Das Ziel: Meist die Transfer-Politik des deutschen Rekordmeisters. So sagte der gebürtige Leverkusener nach der Verpflichtung von Harry Kane (30), der für gut 100 Millionen Euro von Tottenham geholt wurde: "Ich bin von der Transfer-Strategie des FC Bayern in den letzten Jahren nicht so überzeugt."
Aber damit nicht genug. Rettig legte weiter gegen die Münchner nach: "Ich erwarte vom FC Bayern, dass er eine zielgerichtete Transfer-Strategie betreibt, die auf Jahre ausgerichtet ist. Das fängt beim Nachwuchs an. Das ist desaströs", sagte Rettig weiter: "Ich muss eine Strategie entwickeln, die nicht sein kann, dass ich 100 Millionen für Herrn Kane zahle. Das ist für mich erkaufter sportlicher Erfolg."
Andreas Rettig bekannt für Verbal-Watschn gegen die FC-Bayern-Bosse
Kurze Zeit später ruderte der 60-Jährige aber mit seinen Aussagen zurück und lobte die Münchner für ihren großen Transfer-Coup: "Harry Kane tut der Bundesliga gut." Was denn nun? Auch 2020, als Corona Fußball-Deutschland noch fest im Griff hatte, war das Angriffsziel von Rettig das Transfer-Gebaren des FC Bayern.
Damals kündigte der damalige – und inzwischen längst geschasste – Sportchef Hasan Salihamidzic öffentlich an, dass sich der FC Bayern mit einem Top-Star verstärken möchte. Daraufhin bezeichnete Rettig dieses Vorgehen der Münchner in dieser elementaren Krise des Sports als "falsches Signal". Einen Alternativvorschlag an die Bosse des amtierenden deutschen Meisters lieferte der ehemalige Sportliche Leiter des FC Augsburg und Freiburg selbstverständlich hinterher.
"Ich finde, der FC Bayern sollte lieber über eine Charmeoffensive in Richtung Fans und Mitglieder der Gesellschaft sprechen. Ich glaube, das wäre in diesen Tagen besser", so Rettig. Ja, austeilen kann er – speziell gegen seinen liebsten Sparringspartner von der Säbener Straße. Für eine Charmeoffensive in Richtung Uli Hoeneß (71) hatte Rettig bisher nichts – wirklich gar nichts – übrig.
Stattdessen watschte er in der Sport1-Sendung "Doppelpass" den Ehrenpräsidenten des FC Bayern als einen "Katar-Lobbyisten" ab. Hoeneß, dessen FC Bayern ja Qatar Airways jahrelang als Sponsor hofierte, hatte die Kritik an der WM-Vergabe und der Ausrichtung 2022 zuvor als überzogen gebrandmarkt.
"Vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich": Rummenigge ledert gegen Rettig – und tritt zurück
Hoeneß ließ sich spontan in die Sendung telefonisch zuschalten und bezeichnete wiederum Rettig als "König der Scheinheiligen". Die WM im von Menschenrechtsorganisationen kritisierten Katar wollte Rettig größtenteils boykottieren und stattdessen "in die Kneipen gehen, die den Slogan 'Kein Katar in meiner Kneipe'" umsetzten.

Das war damals, als er noch kein neues Amt hatte. So eine strikte Haltung hat jetzt Konsequenzen. Wie der "kicker" am Sonntagnachmittag berichtete, tritt Karl-Heinz Rummenigge aus der DFB-Task-Force aus – wegen Rettig!
So sei der aktuelle, für den DFB öffentlichkeitswirksame Expertenrat "nie mit den entsprechenden Entscheidungskompetenzen ausgestattet worden, um effektiv, wirksam und zielstrebig arbeiten zu können". Die Task Force sei in wichtige Beschlüsse des DFB nicht eingebunden und teilweise nicht informiert gewesen.
"So haben wir von der Installation Andreas Rettigs als Geschäftsführer Sport des DFB, eine durchaus sensible Personalie und diskussionswürdige Entscheidung, durch die Medien erfahren. Auf dieser Basis ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich", ließ sich Rummenigge zitieren. Rumms! Ihm gleichtun wird es Oliver Mintzlaff.
Damit verbleiben in der Task Force noch Nationalmannschafts-Sportchef Rudi Völler, DFB-Präsident Bernd Neuendorf sowie Vize Hans-Joachim Watzke.
"Falsches Verständnis": Neuendorf erklärt Doppel-Austritt und löst die Task Force auf
Am Montagmittag wurde der umstrittene Geschäftsführer Rettig auf einer Pressekonferenz mit Bernd Neuendorf präsentiert. Dabei stellte der DFB-Präsident gleich zwei Dinge klar: Erstens sei Rettig "nicht der neue Oliver Bierhoff". Er verfüge über "ein komplett anderes Profil" und werde sich hauptsächlich um administrative Angelegenheiten kümmern. Die Wahl des neuen Bundestrainers fällt nicht darunter. "Rudi Völler ist da im Lead", erklärte Rettig selbst.

Zweitens hätten Rummenigge und Mintzlaff ihr Aufgabengebiet in der Task Force nicht richtig verstanden: "Es ging von Anfang an darum, dass die Task Force ein beratendes Gremium ist, sie hatte nie Entscheidungskompetenzen. Den Forderungen der beiden Ausgetretenen liegt ein falsches Verständnis der Task Force zugrunde", erklärte Neuendorf.
Rummenigge und Mintzlaff seien nicht informiert gewesen, weil Rettig "nicht originär eine sportliche Kompetenz" habe. Nach den beiden Austritten löste Neuendorf die Task Force auf. In einem Telefonat am Sonntag klärte der DFB-Präsident den Irrtum auf und wünschte sich, "dass aus Differenzen keine Fronten entstehen".

180-Grad-Wende: Rettig würde Verlust von Rummenigge und Hoeneß "sehr bedauern"
Unterstützung bekam er ausgerechnet vom bislang als Bayern-Kritiker bekannten Rettig. Dieser habe zwar versucht, zu Rummenigge und Hoeneß Kontakt aufzunehmen, aber keine Antwort bekommen. "Ich habe beide nicht erreicht. Habe Herrn Hoeneß auf die Mailbox gesprochen und Karl-Heinz Rummenigge eine SMS geschrieben und habe keine Resonanz erfahren", sagte Rettig über seine Bemühungen. Dennoch betonte der 60-Jährige, dass "wir den FC Bayern brauchen".

Was Rettig an Rummenigge und Hoeneß schätze "ist, offen an Dinge ranzugehen. Sie haben – wie ich auch – kein Glaskinn." Auch deshalb wolle der neue Geschäftsführer so bald wie möglich mit den beiden Bayern-Machern sprechen. "Persönliche Animositäten dürfen nicht dazu führen, dass wir wichtige Personen verlieren. Das würde ich sehr bedauern." Rettig ist also bereit, die Rivalität ein Stück weit zur Seite zu legen. Man darf auf die Reaktion von Rummenigge und Hoeneß gespannt sein.
Nadine Keßler bleibt Abteilungsleiterin bei der UEFA
Rettig selbst war übrigens nicht die erste Wahl des DFB. Ursprünglich sollte es zu einer Revolution kommen. Wie die AZ exklusiv berichtete, sollte Nadine Keßler (35) eigentlich als erste Frau das Amt von Bierhoff übernehmen.
Doch die Favoritin auf den Geschäftsführer-Posten sagte dem DFB kurzerhand ab. "Ich habe mich geehrt gefühlt, dass der DFB an mich herangetreten ist, um den Posten des Geschäftsführers Sport in meinem Land, für das ich gespielt habe, zu besetzen", sagte die ehemalige Spielerin des VfL Wolfsburg. Sie bleibt nun Abteilungsleiterin bei der UEFA.
Auch die Idee, mit Sami Khedira (36) einen Weltmeister von 2014 in die Riege der DFB-Bosse aufzunehmen, scheiterte. Nun macht es also "Robin Hood" Rettig. Ob er sich in seiner neuen Rolle weiter solche Giftpfeile in Richtung des FC Bayern erlauben kann, wird sich zeigen...