"Zerstrittene Grüppchen": Jetzt könnte der FC Bayern auch die Meisterschaft verspielen

München - Dem FC Bayern droht eine Saison zum Vergessen, daran konnte auch der Trainerwechsel zu Thomas Tuchel nichts ändern. Selbst die Meisterschaft in der Bundesliga, für die Münchner in den vergangenen Jahren eigentlich ein Selbstläufer, ist massiv gefährdet.
Die erste titellose Saison seit einer Dekade wäre eine "Katastrophe", wie der völlig desillusionierte Vorstandsboss Oliver Kahn nach der 1:3-Pleite beim FSV Mainz 05 am vergangenen Samstag in die Mikrofone der Reporter raunte.
Die Mannschaft des FC Bayern wirkt alles andere als homogen
Angesprochen auf die Gründe für die sportliche Misere wirken Spieler wie Verantwortliche ratlos. Freilich, die Kaderzusammenstellung passt nicht so ganz, das Fehlen eines klassischen Neuners auf Top-Niveau ist längst offensichtlich. Auch die Formschwäche vieler vermeintlicher Leistungsträger wurde bereits zur Genüge thematisiert. Doch reicht das als Erklärung für die größte Krise der jüngeren Vereinsgeschichte?
Was in den vergangenen Wochen immer deutlicher wurde: Die Mannschaft wirkt alles andere als homogen und lässt vorne wie hinten Automatismen vermissen. Viel Stückwerk, wenig Harmonie. Ein Zustand, der schon unter Ex-Coach Julian Nagelsmann vorherrschte und an dem auch Tuchel (bislang) nichts ändern konnte. Im Gegenteil.
Hamann über FC Bayern: "Da gibt es zerstrittene Grüppchen, aber keine Mannschaft"
"Ich habe selten einen Trainerwechsel erlebt, wo es kurzfristig schlechter wird. Genau das ist bei den Bayern passiert", meinte Sky-Experte Dietmar Hamann zuletzt. Bei der Niederlage in Mainz habe die Mannschaft wie "von allen guten Geistern verlassen" gespielt und einem "Hühnerhaufen" geglichen, so das vernichtende Fazit des Ex-Nationalspielers.
Hamanns Erklärung? "Da gibt es zerstrittene Grüppchen, aber keine Mannschaft. Die Mannschaft zerfällt im Moment in ihre Einzelteile", analysierte der Experte, der innerhalb des Teams "tiefe Gräben" sieht. Ob es um das Innenleben der Mannschaft tatsächlich so schlecht bestellt ist, lässt sich von außen schwer beurteilen. Eine gewisse Grüppchenbildung lässt sich jedoch kaum von der Hand weisen, wie bei der Trennung von Nagelsmann offensichtlich wurde.
Gruppe um Neuer stand nicht mehr auf Nagelsmanns Seite
Sportvorstand Hasan Salihamidzic begründete die Entscheidung damit, dass "die Konstellation zwischen Trainer und Mannschaft" nicht mehr gestimmt habe. In Teilen mag das auch stimmen. Für Kapitän Manuel Neuer etwa, der mit der Entlassung seines engen Vertrauten Toni Tapalovic brüskiert wurde.
Auch sein Stellvertreter Thomas Müller, der sich immer häufiger auf der Bank wiederfand, soll kein allzu großer Nagelsmann-Fan gewesen sein. Dasselbe gilt für Spieler wie João Cancelo oder Ryan Gravenberch, die sich öffentlich über ihre Einsatzzeiten beschwert hatten.
Nicht jeder war über die Nagelsmann-Entlassung glücklich
Doch nicht jeder innerhalb der Mannschaft war glücklich über die Nagelsmann-Freistellung. Am deutlichsten machte dies Joshua Kimmich, der einer der ersten Ansprechpartner des Ex-Trainers war. "Am Ende des Tages ist so das Geschäft, wenig Liebe, wenig Herz", sagte der Mittelfeldspieler über den plötzlichen Abgang des Trainers. Auch Teamkollege Leon Goretzka zeigte sich überrascht und sprach von einem "Schock", es sei "extrem in diesem Geschäft, wie schnell so was gehen kann".
Er selbst habe eine extrem enge Beziehung zu Nagelsmann gehabt. Die Aussagen von Salihamidzic, dass die Konstellation zwischen Trainer und Mannschaft nicht mehr gepasst habe, bestätigte Goretzka für sich nicht. "Ich wäre ja doof, wenn ich jetzt meinem Chef widersprechen würde. Ich persönlich hatte sicherlich keine Risse zu Julian", sagte er und meinte vielsagend: "Ich weiß aber nicht, wie das bei anderen Spielern war."