Woran der Fußball krankt

„Frank, lass mal gut sein“, sagt HSV-Torwart Rost oft zu sich selbst. Macht er aber nicht. Hier lesen Sie, was ein intelligenter Fußballer von Beratern, Transfersummen und von Uli Hoeneß hält.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
„Es gibt im Tor ein Prinzip, das so einfach ist wie brutal: das vom Jäger und Gejagtem“: HSV-Keeper Frank Rost.
Robertodiaz/Augenklick „Es gibt im Tor ein Prinzip, das so einfach ist wie brutal: das vom Jäger und Gejagtem“: HSV-Keeper Frank Rost.

„Frank, lass mal gut sein“, sagt HSV-Torwart Rost oft zu sich selbst. Macht er aber nicht. Hier lesen Sie, was ein intelligenter Fußballer von Beratern, Transfersummen und von Uli Hoeneß hält.

AZ: Herr Rost, Sie haben eine CD mit Fußballtexten großer Schriftsteller herausgebracht, sie selbst lesen den Urugayer Eduardo Galeano. Er sagt: Wenn ich sehe, wie du Fußball spielst, kann ich dir sagen, wer du bist. Wie hält es sich denn mit Frank Rost?

FRANK ROST: Da ich ein solider Mensch bin, spiele ich wohl auch sehr solide. (lacht)

In einem grundsoliden Team?

Der HSV ist auf einem sehr guten Weg. Es ist eine Arbeit, die sich langsam entwickelt, nach oben geht es aber Schritt für Schritt. Wir haben im Sommer einige Talente geholt, wie etwa Eljero Elia. Die können Riesenleistungen bringen. Aber schon jetzt wird er mit Arjen Robben verglichen.

Ein Vergleich, der hinkt.

Ja, und der es dem Spieler mehr als schwer macht. Die Messlatte wird so viel zu hoch gelegt. Auch unsere jungen Spieler können Riesenleistungen abrufen, aber ein Robben hat schon viele Jahre Topleistungen bei großen Klubs abgeliefert. Nein, beim HSV sind wir gut darin beraten, eine gewisse Demut zu bewahren. Die große Welle kann man erst dann machen, wenn wir einen Titel gewonnen haben. Und die hat Bayern zu Dutzenden geholt in den vergangenen Jahren.

Da wäre es doch gut gewesen, den Ex-Bayern Roman Grill als Sportchef zu holen. Doch der Aufsichtsrat sprach sich dagegen aus, sie selbst waren äußerst kritisch. Schließlich berate Grill auch HSV-Spieler, gaben Sie zu bedenken.

Ja, aber es ging die ganze Zeit nicht um einzelne Personen, sondern um Funktionen, die diese innehaben. Das Thema ist für mich erledigt, es geht mich auch nichts an, was ein potentieller Kandidat so drauf hat. In diesem Fall ging es aber um ein Thema, das den Fußball als Ganzes betrifft.

Den Fußball als Ganzes?

Ja. Fußball ist eine Konstante, je komplizierter die Zeiten werden. Das Schöne an diesem Spiel ist, dass es im Grunde ganz einfach ist, jeder versteht es. Doch je mehr das Spiel professionalisiert wird, desto mehr leidet die Glaubwürdigkeit. Der Markt darf nicht alles bestimmen.

Der Markt hat diesen Sommer so einiges bestimmt - unter anderem absurd hohe Transfersummen.

Es ist für einen 18-Jährigen unheimlich schwer, das alles richtig einzuordnen. Da muss man als junger Mensch absolut charakterfest sein und ein stabiles Umfeld haben. Rio Ferdinand von Manchester United hat es mal auf den Punkt gebracht: Kein Spieler ist wichtiger als der Verein.

Aber charakterfest zu sein ist schwierig, wenn man mit 14 Jahren den ersten Berater hat, der für einen entscheidet.

Dass Spielerberater immer mächtiger werden, ist für den Fußball nicht gut, aber wohl auch nicht mehr zu ändern.

Hätte man Michael Rensing eigentlich mehr den Rücken stärken müssen?

Bei Bayern kriegst du keine Zeit, eigentlich in der ganzen Liga nicht. Du musst funktionieren. Da hat auch der eine oder andere Trainer drunter zu leiden, der gerne jüngeren Spielern eine Chance geben würde. Die sind aber gezwungen, kurzfristig zu denken, sie müssen Erfolge vorweisen. Doch für Michael Rensing kann ich nicht sprechen, ich bin ja Frank Rost.

Sie können erklären, was im Kopf eines Torhüters vorgeht.

Es gibt im Tor ein Prinzip, das so einfach ist wie brutal: das von Jäger und Gejagtem. Und es ist leichter, der Jäger zu sein als der Gejagte. Als Nr. 2 hat man nicht viel zu verlieren; ist man plötzlich Nummer eins, dreht sich der Spieß. Man ist selbst der Gejagte.

Beim HSV sind Sie der Team-Älteste, wie finden Sie sich damit zurecht?

Eigentlich eine schöne Rolle, solange die Jungen das annehmen, was man ihnen versucht mitzugeben.

Tun sie das denn?

Es ist heute schwieriger Einfluss auf die Jungen zu nehmen als früher. Und manchmal fragt man sich, ob's das alles überhaupt wert ist, das kostet nämlich auch ganz schön viel Kraft. Aber ich bin auch gelassener geworden. Ganz oft denke ich: Frank, lass mal gut sein. Ich war ja auch mal jung und ein Ochse und hab bestimmt nicht jeden Rat befolgt. Nur eines habe ich nie vergessen: Dass Fußball im Leben nicht alles ist, dass es eine Zeit danach gibt.

Denken Sie denn an die Zeit nach Ihrer Karriere?

Ja klar. Man wird schon wachsamer und schaut sich schon mal um, was einem liegen könnte.

Vielleicht ja Sportdirektor?

Also, erstmal spiel ich jetzt weiter Fußball. Außerdem, als Fußballer wird's auf dieser Position doch immer schwieriger, wer ist denn noch da, Klaus Allofs bei Werder, Horst Heldt in Stuttgart...

... und Christian Nerlinger bei den Bayern.

Stimmt. Der hatte ja auch den besten Lehrmeister.

Sie mögen Uli Hoeneß?

Ich schätze ihn sehr. Weil er eben nicht das sagt, was gerade populär ist, sondern immer eine Meinung hat und seine Prinzipien. Das macht ihn glaubwürdig.

Beim HSV hat es ziemlich gehakt in den letzten zwei Spielen, 0:3 gegen Rapid Wien in der Europa League, die Pokalschlappe in Osnabrück.

Wir haben noch nicht verinnerlicht, dass die Situation eine Neue ist: Wir sind jetzt Favorit, und so werden wir auch empfangen. Der HSV ist gut genug, um bis zum Ende oben mitzuspielen. Gegen Wien und Osnabrück haben wir es zu kompliziert gewollt und es uns damit zu schwer gemacht.

Und gegen die Bayern?

Wir freuen uns auf ein volles Stadion und einen Gegner, der mitspielt. Für uns ist es gar nicht schlecht, dass jetzt Bayern kommt – und nicht ein zweites Osnabrück.

Wie, denken Sie, wird Ivica Olic empfangen?

Ich glaube, dass er sehr gut aufgenommen wird. Ivi ist ein toller Mensch. Ich habe das Glück gehabt, zweieinhalb Jahre mit ihm das Zimmer zu teilen. Ganz ehrlich: Das ist schwer zu toppen.

Wie stehen Sie eigentlich persönlich zum FC Bayern?

Wenn ich ganz ehrlich bin, dann geht es mir manchmal auf den Sack, dass die so erfolgreich sind. (Lacht laut)

Interview: Iris Hellmuth, Martin Sonnleitner

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.