"Wollte es nicht wahrhaben": Ex-FC-Bayern-Arzt verrät, wie krank Franz Beckenbauer wirklich war

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, ehemaliger Mannschaftsarzt des FC Bayern und langjähriger Begleiter von Franz Beckenbauer, spricht über dessen Krankheit, deren Anzeichen er früh erkannt habe: "Ich wollte es selbst nicht wahrhaben."
von  Guido Verstegen
Franz Beckenbauer verstarb am vergangenen Sonntag im Alter von 78 Jahren.
Franz Beckenbauer verstarb am vergangenen Sonntag im Alter von 78 Jahren. © imago/Sven Simon

Das letzte Jahr seines bewegten Lebens hat Franz Beckenbauer noch einmal alles abverlangt: Da waren die beiden Herz-Operationen, ein Augen-Infarkt – und eine Parkinson-Erkrankung, von der kaum jemand etwas wusste.

Müller-Wohlfahrt über Krankheit von Franz Beckenbauer: "Anzeichen schon vor langer Zeit"

Die "Bild"-Zeitung berichtete, dass der 78-Jährige – er verstarb am vergangenen Sonntag (7. Januar) – unter der langsam fortschreitenden  Schüttellähmung mit einhergehender Demenz litt. Und auch Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der langjährige Mannschaftsarzt des FC Bayern, sprach im "Blaue Couch Spezial" davon und überraschte offenbar auch Bayern1-Moderator Thorsten Otto mit dieser Nachricht.

Otto wollte wissen, welchen Eindruck Müller-Wohlfahrt zuletzt in Sachen Gesundheit von Franz Beckenbauer gewonnen hatte, sein Eindruck sei gewesen, dass das "Glückskind" Beckenbauer zuletzt mehr und mehr abgebaut habe. "Ich habe erste Anzeichen schon vor langer, langer Zeit gesehen, hatte aber immer noch in die Hoffnung, dass es schon nicht so schlimm wird", sprach Müller-Wohlfahrt zum einen über die schleichende Demenz, aber eben auch über die Diagnose Parkinson. 

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt: "Ich wollte es selbst nicht wahrhaben"

Bis vor einem Jahr hatte der 81-Jährige Franz Beckenbauer noch regelmäßig besucht, dann sei das aber nicht mehr möglich gewesen, weil es für Franz Beckenbauer einfach zu anstrengend gewesen sei. Die ersten Anzeichen der Krankheit seien früh erkennbar gewesen, so Müller-Wohlfahrt. "Ich wollte es ja selbst nicht wahrhaben – mein Franz Beckenbauer darf nicht krank werden, diese strahlende Persönlichkeit...", sagte er hörbar angefasst.

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Mediziner Dirk Sander über Morbus Parkinson als "fortschreitende, neurogenerative Erkrankung"

Aber wie krank war Franz Beckenbauer wirklich? Welche Anzeichen, welche Symptome kennzeichnen Parkinson, welche mögliche Ursachen gibt es gerade bei der Erkrankung von Sportlern?

"Morbus Parkinson ist eine fortschreitende, neurogenerative Erkrankung, bei der es durch Substanzverlust in einem umschriebenen Mittelhirnbereich, der Substantia nigra ("schwarze Substanz"), zum Nervenzelluntergang kommt. Hieraus resultiert ein  Mangel eines biochemischen Botenstoffes, des Dopamins", schreibt Prof. Dr. Dirk Sander, Chefarzt des Neuro-Zentrums Benedictus Krankenhäuser Tutzing und Feldafing, auf der Website der Klinik. Die Starnberger See-Klinik in Feldafing bietet eine Parkinson-Komplexbehandlung an.

Zu Ehren von Franz Beckenbauer wird die Allianz Arena in den nächsten Tagen mit dem Schriftzug "Danke Franz" beleuchtet.
Zu Ehren von Franz Beckenbauer wird die Allianz Arena in den nächsten Tagen mit dem Schriftzug "Danke Franz" beleuchtet. © imago/Eibner

Diagnose Parkinson: Diese Symptome sind typisch

Durch den Dopaminmangel seien neurologische Regelkreise funktionell gestört, so dass Parkinson-typische motorische Symptome wie Bewegungsarmut (Hypokinese), Muskelsteifigkeit (Rigor) und Zittern (Tremor) auftreten. Parkinson-Symptome könnten auch durch bestimmte Medikamente ausgelöst werden oder im Rahmen von anderen neurodegenerativen Erkrankungen auftreten, wobei dann noch andere Systeme mit betroffen seien, erklärt Lange.

Zusätzliche Symptome können Schwierigkeiten beim Sprechen und Schlucken, Störungen der vegetativen Funktionen, wie zum Beispiel Blutdruck und Verdauung, Schlafstörungen, Depressionen und geistige Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz sein, teilt die Deutsche Parkinson Gesellschaft mit. 

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Parkinson: Lebenserwartung entspricht  "heute nahezu der der Normalbevölkerung"

Noch bis in die 1970er-Jahre hinein führte die fortschreitende Parkinson-Erkrankung laut Lange unbehandelt nach wenigen Jahren in die vollständige Pflegebedürftigkeit "und bei einer Lebenserwartung von etwa zehn Jahren schließlich zum  Tod".

Dank moderner Behandlungsmöglichkeiten einschließlich kombinierter medikamentöser Therapie, Pumpenbehandlung und tiefer Hirnstimulation entspreche die Lebenserwartung "heute nahezu der der Normalbevölkerung", und es sei in vielen Fällen möglich, Krankheitssymptome über viele Jahre zu kontrollieren und damit eine Teilhabe am beruflichen und privaten Leben ohne  gravierende Einschränkungen aufrechtzuerhalten.

Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass mehrfache Schädel-Hirn-Traumata die Entstehung von Morbus Parkinson begünstigen können. Andere zeigen ein gehäuftes Auftreten der Krankheit etwa bei Fußballern. So könnten schwere Schläge auf den Kopf, wie sie beispielsweise beim Boxen vorkommen, Schlaganfälle oder Hirntumore die Substantia nigra schädigen. Wenn der Zellverlust in dieser Region des Gehirns also zu groß werde, könne es zu einem Dopamin-Mangel und damit zu Parkinson-Beschwerden kommen.

Morbus Parkinson: Der Fall Muhammad Ali

Am 3. Juli 2016 verstarb Muhammad Ali, der dreifache Weltmeister im Schwergewichtsboxen. Ein Buch und ein Dokumentarfilm befeuerten laut "medscape.de" die Diskussion um seine Parkinson-Krankheit.

"Sowohl der Film als auch das Buch fokussierten sich stark auf durch das Boxen bedingte Traumata sowie die Möglichkeit, dass eine Parkinson-Erkrankung durch wiederholte Schädel-Hirn-Traumata entstehen könnte", schrieben Dr. Mahlon R. DeLong von der Neurologischen Abteilung der Emory School of Medicine in Atlanta/USA und seine Koautoren demnach in einem Beitrag der medizinischen Fachzeitschrift "JAMA Neurology".

Mediziner Timmermann: "Ich denke, Muhammad Ali wurde Opfer des VIP-Syndroms"

Von 1985 an bis zu seinem Tod im Jahr 2016 sei Cassius Clay von 1985 bis zu seinem Tod medizinisch betreut worden. Der deutsche Parkinson-Spezialist Prof. Dr. Lars Timmermann, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Marburg, sagte: "Ich denke, Muhammad Ali wurde hier Opfer des VIP-Syndroms. Der Verdacht, dass die Parkinson-Symptome von Muhammad Ali etwas mit seiner Karriere als Boxer und häufigen Schlägen auf den Kopf zu tun haben könnten, ist nicht komplett an den Haaren herbeigezogen. Aber ohne regelgerechte persönliche Untersuchung einer Person lässt sich keine verlässliche medizinische Diagnose stellen."

Morbus Parkinson: Erkrankungsalter liegt meist zwischen 60 und 80 Jahren

Laut einer Mitteilung des Benedictus Krankenhauses in Feldafing leiden allein in Deutschland etwa 400.000 Menschen an Morbus Parkinson, weltweit sind es 6,3 Millionen. Anfang 2023 wurde das neurologische Behandlungsangebot der Klinik um die Komplexbehandlung des Morbus Parkinson erweitert. Prof. Dr. Dirk Sander: "Das Erkrankungsalter liegt meist zwischen 60 und 80 Jahren, bis zu 20 Prozent der Patienten 
sind bei Diagnosestellung jünger als 60 Jahre."

Helmut Markwort: "Für Franz Beckenbauer war es eine Erlösung"

Franz Beckenbauer war laut "Bild" in den letzten Wochen "bettlägerig und konnte kaum noch sprechen", er habe zudem "massiv an Gewicht" verloren. Zwei Pflegerinnen sollen sich um den 78-Jährigen gekümmert haben. 

Auch Helmut Marktwort, über Jahre hinweg Mitglied des Aufsichtsrats des FC Bayern unter Vereinspräsident Franz Beckenbauer, berichtete im "Focus" von dessen schlechtem Gesundheitszustand in seinen letzten Tagen. "Am Schluss ging es ihm schlecht. Er wollte seine Freunde nicht mehr sehen, er war ein einsamer, alter Mann. Er konnte zudem nur schlecht reden und sehen. Für Franz war es eine Erlösung", sagte der 87-Jährige.

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