„Wir sind offen, tolerant – und viel direkter als die Deutschen“
Hier erklärt der niederländische Konsul Lionel Veer, wie Holländer ticken. Wird ja auch mal Zeit.
AZ: Herr Veer, bei Bayern beginnt die Oranje-Epoche: Trainingsauftakt mit Louis van Gaal, Assistenz-Trainer Andries Jonker, Physiotherapeut Jos van Dijk, Video-Analyst Max Reckers und Spieler Edson Braafheid. Wird Zeit, dass wir etwas über das Wesen des Niederländers erfahren. Fragen wir also den Konsul: Schlimm, wenn man Holland statt Niederlande sagt?
LIONEL VEER: Das Land heißt offiziell halt Niederlande, Nord- und Südholland sind zwei Provinzen. Aber wenn Sie einen Brief nach Amsterdam, Holland schreiben, kommt der auch an.
Wie viele Niederländer leben in München?
Wir wissen es nicht genau. Die Niederländer müssen sich nicht registrieren bei uns, kommen nur vorbei, wenn sie ihren Reisepass verlängern müssen, alle fünf Jahre. In ganz Bayern gibt es etwa 10000 Niederländer. Tendenz steigend.
Gibt es Treffpunkte oder Anlaufstellen in der Stadt?
Nein, bis auf das Sinterklaas-Fest am 5. Dezember, praktisch das vorgezogene Weihnachtsfest für die Kinder. Das organisieren wir mit dem „Holland Club München“. Mark van Bommel ist mit seinen Kindern auch immer da. Auf der Europäischen Schule in Neuperlach gibt es einen niederländischen Sprachzweig. Der Lehrstuhl an der Universität wurde dagegen geschlossen.
Beschreiben Sie doch mal das Verhältnis der Bayern zu den Niederlanden, bitte.
Die Bayern sehen uns nicht als Nachbarn an, das sind Österreicher, Schweizer, Italiener. Wir denken mehr an Deutschland als ganzes Land. Unser Deutschland-Bild ist geprägt von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Mittlerweile wohnen viele Niederländer an der Grenze in Deutschland, weil die Wohnungen billiger sind. Überhaupt, die Wirtschaft: Die Import-Export-Bilanz mit Bayern beträgt etwa zehn Milliarden Euro im Jahr. Im Moment verdienen die Holländer mehr Geld in Bayern als in China und Japan zusammen.
Jetzt kommen noch die Fußballer. Was für ein Menschenschlag erwartet uns da?
Wir sind eine offene, tolerante Gesellschaft, soziologisch, wirtschaftlich, auch von der Mentalität her. Wir sind viel direkter als die Deutschen, weniger formell, weniger hierarchisch. Höflichkeit ist wichtig, wir sind auch anständige Menschen. Wir brauchen weniger Wörter, um etwas zu sagen, und das kommt manchmal hart an bei Leuten, die das nicht gewohnt sind. Die denken dann: Mein Gott, die sind ja unverschämt. Oder zu direkt. Das kann im Kontakt mit Holländern am Anfang problematisch sein. Und die Holländer haben das Gefühl: Der redet ja nur rum und sagt nicht, worum es geht.
Das könnte in der Zusammenarbeit mit den Bayern-Bossen spannend werden.
Dass die Holländer direkter sind, heißt nicht, dass sie nicht zuhören können. Wir sind auch ergebnisbezogen. Das spürt man in der unternehmerischen Qualität der Niederlande. Wir sind gewohnt, außerhalb unserer Grenzen Geld zu verdienen, flexibel zu sein und mit Resultaten kommen zu müssen. Wichtig ist auch Loyalität. „Ein Mann, ein Mann. Ein Wort, ein Wort“, heißt es bei uns. Das Wichtigste ist, dass man einander gut versteht und sich über das Ziel einig ist.
Interview: Thomas Becker