Wildern in der Bundesliga: Der FC Bayern schwächt die Konkurrenz – oder doch nicht?

München - "Mich gibt es nur mit 100 Prozent – und das werde ich in jedem Training vom ersten Tag an einbringen." Mit diesen Worten stellte sich Konrad Laimer beim FC Bayern vor. Der Neuzugang aus Leipzig unterschrieb einen Vierjahresvertrag bis 2027, am Freitag (9. Juni) machten die Münchner den schon lange erwarteten Deal offiziell.
Nachdem er am 33. Spieltag beim 3:1-Sieg der Leipziger in der Allianz Arena durch seinen zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer beinahe dafür gesorgt hätte, dass die Meisterschale nach Dortmund geht, wird er ab kommender Saison das Mittelfeld des deutschen Rekordmeisters verstärken.
Eberls Laimer-Bluff wird ungewollt zum Bumerang
Der Wechsel des Österreichers war schon seit geraumer Zeit geklärt. Zwar dementierte Leipzigs Geschäftsführer Sport Max Eberl am 12. März im "Doppelpass" eine Einigung, von der der "kicker" Ende Januar berichtete. Die kahle Bewaldung im Hintergrund bei Laimers Vertragsunterzeichnung spricht allerdings eine etwas andere Sprache.
Damit steht der erste Transfer des Rekordmeisters für diesen Sommer bereits fest. Der nächste soll voraussichtlich kommende Woche folgen: Mit Borussia Dortmunds Raphaël Guerreiro ist weitestgehend alles klar. Lediglich Medizincheck und Unterschrift stehen noch aus.
Der Portugiese wird seinen Nationalmannschaftskollegen João Cancelo ersetzen. Angesichts der Baustellen im defensiven Mittelfeld und im Sturm ist der FC Bayern nicht bereit, die von Manchester City ausgerufene Ablösesumme zu zahlen. Zumal zeitnah auch noch der 2025 auslaufende Vertrag von Alphonso Davies verlängert werden soll – zu verbesserten Bezügen.

Hoeneß und Rummenigge bringen Bayerns alte Transfer-Handschrift zurück
Dass die ersten beiden Neuzugänge aus der Bundesliga kommen, trägt ein wenig die Handschrift des neuen, alten Vorstands um Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Ex-Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Kaderplaner Marco Neppe sahen sich in den vergangenen Jahren verstärkt im Ausland um. Leroy Sané (Manchester City), Jamal Musiala (Chelsea FC Academy), Alphonso Davies (Vancouver Whitecaps), Matthijs de Ligt (Juventus) oder Sadio Mané (Liverpool FC) sind da nur einige Beispiele.

Doch auch national wurde immer mal wieder gewildert: In der Bundesliga musste vor allem RB Leipzig herhalten – in Person von Dayot Upamecano, Marcel Sabitzer oder Julian Nagelsmann, was damals schon die Frage aufrief, inwieweit der Rekordmeister die nationale Konkurrenz nicht vielleicht ein wenig zu sehr schwächt.
Angesichts der Verpflichtung Laimers und des nahenden Transfers von Guerreiro dürfte diese Frage erneut auf den Plan kommen. Letzterer wurde mit zwölf Assists bester Vorlagengeber der Bundesliga, vor Eintracht Frankfurts Randal Kolo Muani (11, ebenfalls auf dem Zettel des FC Bayern) sowie dem Kölner Florian Kainz und Jamal Musiala (je 10). Zudem hatte Guerreiro großen Anteil daran, dass Dortmund, nach der schwachen Hinrunde, noch ins Titelrennen eingreifen konnte.
Laimer gehörte zu den Stammspielern in Leipzigs Mittelfeld und stand, mit seinem Laufpensum und seiner Zweikampfstärke, sinnbildlich für das RB-Spiel.
Bedienen oder schwächen? Dortmund und RB für die Zukunft gut aufgestellt
Damit bedient sich der FC Bayern – einmal mehr – bei der Konkurrenz. Ob er sie wirklich schwächt, ist aber noch nicht klar. Sowohl Borussia Dortmund als auch RB Leipzig gelang es zwar nicht, die Verträge mit Laimer, beziehungsweise Guerreiro zu verlängern, wodurch der FC Bayern ablösefrei zuschlagen konnte. Beide Teams sind auf den entsprechenden Positionen für die Zukunft allerdings gut aufgestellt.
Im Winter verpflichtete der BVB Julian Ryerson von Union Berlin und gab am Mittwoch den Transfer von Gladbachs Ramy Bensebaini bekannt. Beide Vereine – sowohl Union als auch Gladbach – sind inzwischen normalerweise weitestgehend in der Lage, in der Bundesliga oben mitzuspielen.
Aus dem Kader von Schwarzgelb ließe sich problemlos eine Elf nur aus Zugängen von Bundesligavereinen aufstellen. Unter anderem mit Gregor Kobel, der Stuttgart 2020/21 als Aufsteiger zu einem souveränen neunten Platz verhalf. Nico Schlotterbeck und Niklas Süle waren in Freiburg, respektive beim FC Bayern Stammspieler und Anthony Modeste mit 20 Toren der Hauptgrund für Kölns siebten Platz in der Vorsaison und die Teilnahme an der Europa Conference League. Die Frage lautet also vielmehr: Sind es wirklich nur die Bayern, die mit ihren Deals mutmaßlich die nationale Konkurrenz schwächen?
Der Fluss von Dortmund nach München ist nicht der reißende Strom, zu dem er oftmals gemacht wird. Neben Guerreiro tauschten in 123 Jahren lediglich Thomas Helmer, Torsten Frings, Mario Götze, Mats Hummels sowie Robert Lewandowski die Strobelallee für die Säbener Straße ein. Hummels stellt, als Jugendspieler des FC Bayern, eher noch einen Sonderfall dar.
Interessant: In die andere Richtung stehen ganze zehn Transfers. Darunter Niklas Süle als ablösefreier Nationalspieler im besten Fußballeralter. Von Borussia Mönchengladbach verpflichtete der BVB, allein in den vergangenen fünf Jahren, drei Spieler und hatte, mit Lucien Favre sowie Marco Rose, zwei ihrer Trainer an der Seitenlinie stehen.
RB Leipzig bedient sich nur selten innerhalb der Bundesliga
RB Leipzig hat bereits auf Laimers Abgang reagiert und Hoffenheims Christoph Baumgartner verpflichtet – ebenfalls ein Bundesliga-interner Wechsel. Die offizielle Bestätigung steht allerdings noch aus.

Dass sich die Sachsen innerhalb der Bundesliga bedienen, kommt aber eher selten vor. Vor der vergangenen Saison kamen lediglich fünf Spieler von nationalen Konkurrenten, verglichen mit Bayerns sieben und Dortmunds 13. Bevorzugt shoppt RB in Salzburg – oder den Jugendteams anderer ausländischer Ligen und ist daher eher abgebender, denn wirklich konkurrenzschwächender Verein.
Dass der FC Bayern regelmäßig seine nationalen Gegner schwächt und diese deshalb nicht im Titelrennen mithalten können, ist also eine These, die eher mit Vorsicht zu genießen ist. Borussia Dortmund steht dahingehend schon mehr im Verdacht. Daran ändert auch der Abgang von Guerreiro wenig.