Wiesinger: Wir gewinnen, wenn...
Nürnbergs Trainer Michael Wiesinger sagt vor dem Derby, was er verlangt – und warum die Sechser-Diskussion für ihn Quatsch ist.
AZ: Servus, Herr Wiesinger. Hier in München wird über die System-Umstellungen von Pep Guardiola bei Bayern diskutiert. Die Kern-Frage ist, ob ein Sechser reicht. Nun lassen Sie beim Club auch oft mit nur einem defensiven Mittelfeldspieler spielen...
MICHAEL WIESINGER: Richtig. Und manchmal beginnen wir mit zwei Sechsern oder auch mal mit dreien. Oft ändert sich das auch während eines Spiels, je nach Gegner und Spielverlauf.
Und Probleme bereitet das nicht?
Die Bayern-Spieler meinen, dass Sie sich erst an das System gewöhnen müssen. Unsere Spieler haben das verinnerlicht. Es ist sicher so, dass die heutige Spielergeneration sich Dinge nicht einfach aufzwängen lässt. Die sind taktisch alle gut ausgebildet und hinterfragen viele Dinge. Das ist auch gut so. Meine Aufgabe als Trainer ist es auch, Entscheidungen zu erklären und zu begründen, wieso ich bestimmte Dinge so haben will. Aber letztendlich steht der Trainer in der Verantwortung.
Der Club ist mit zwei 2:2-Unentschieden in die Saison gestartet. Zufrieden?
Darauf kann man aufbauen, finde ich. Gegen Hoffenheim, wo wir zum Auftakt gespielt haben, werden es viele Mannschaften schwer haben, das sage ich schon nach dem zweiten Spieltag. Die stehen unglaublich kompakt, sind gut organisiert. Gegen Hertha wäre für uns mehr drin gewesen. Der Start geht in Ordnung, die Basis ist geschaffen. Insgesamt haben beide Spiele gezeigt, dass wir wieder in der Bundesliga angekommen sind.
Wenn Sie den Club vergleichen mit anderen Vereinen, die in der gleichen Tabellenregion erwartet werden, wie unterscheidet sich der Club dann?
Ich denke, das hat man gegen Hertha gesehen. Wir können nur Erfolg haben, wenn wir leidenschaftlicher spielen als der Gegner, wenn wir gut organisiert sind und extrem aufmerksam sind. Wir dürfen nur wenig zulassen.
Und jetzt geht es zu den Bayern...
Da gilt das natürlich erst recht. Bayern ist für mich – auch wenn unter dem neuen Coach vielleicht noch nicht alles rund läuft – das Maß der Dinge. In Deutschland, wahrscheinlich auch in Europa. Bayern bleibt Bayern, wir wissen, was auf uns zukommt. Aber wir wollen natürlich mit einem Erfolg nach Hause fahren. Wir Freude uns auf das Spiel. Für uns in Nürnberg ist das Derby vielleicht noch wichtiger als für die Bayern – die natürlich auch mehr Highlights haben im Jahr.
Letzte Saison ist es vor dem Stadion zu Zusammenstößen gekommen zwischen den Ultras beider Klubs. Nun hat der DFB das Spiel als Hochsicherheitsspiel eingestuft. Wie kann ein Trainer einwirken?
Indem ich es anspreche und dazu auffordere, dass es friedlich bleibt. Ich wünsche mir ein tolles, friedliches und möglichst erfolgreiches Derby für uns. Das mache ich auch in den Pressekonferenzen klar. Ich will, dass Familien weiter zum Fußball gehen können und keine Angst haben müssen rund um das Stadion.
Die Triple-Bayern haben die 2001er-Helden, zu denen Sie gehören, abgelöst. Hätte Ihr Team von damals eine Chance gegen das aktuelle?
Solche Vergleiche funktionieren nie, der Fußball hat sich verändert, alles ist a bissl schneller geworden. Jede Mannschaft, die einen großen Titel gewinnt, hat ihn sich auch verdient. Unsere Stärke damals war der Zusammenhalt, das hat ja auch unser damaliger Kapitän Stefan Effenberg oft betont. Bei den aktuellen Siegern hat mich beeindruckt, wie sich jeder Spieler diesem Ziel bedingungslos untergeordnet hat, wie selbst Ribéry und Robben bedingungslos nach hinten mitgearbeitet haben, dass keiner Ärger gemacht hat. Das ist schon vergleichbar.
Noch ein Wort zum TSV 1860. Verfolgen Sie den Klub noch?
Regelmäßigen Kontakt hatte ich zuletzt nur noch zu Stefan Aigner, der aber jetzt in Frankfurt spielt. Aber natürlich verfolge ich die Löwen noch, auch mit großer Sympathie. Aber momentan scheint es bei 1860 eher ruhiger zuzugehen, oder?
Es wirkt zumindest so, ja.
Sehr gut. Die zweite Liga ist ein unglaublich hartes Pflaster, da kannst du nur bestehen, wenn es ruhig ist im Umfeld. Wenn es so bleibt, können sie auch aufsteigen, ich wünsche es den Löwen jedenfalls. Für uns wäre das noch ein Derby mehr, auf das wir uns Freude können.