Wie viel Hoffenheim steckt im FC Bayern?

Lesen Sie mal, in welchen Bereichen der Emporkömmling Hoffenheim dem Meister Bayern schon jetzt voraus ist.
von  Abendzeitung

Lesen Sie mal, in welchen Bereichen der Emporkömmling Hoffenheim dem Meister Bayern schon jetzt voraus ist.

HOFFENHEIM Bayern gegen Hoffenheim, Zweiter gegen Erster. Vor einigen Jahren noch eine absurde Idee. „Vier Busse voll mit Bayern-Fans sind früher immer nach München gefahren", erinnert sich Hoffenheim-Präsident Peter Hofmann. Zu x-beliebigen Bayern-Heimspielen. Und heute? Läuft es umgekehrt, Bayern muss zu Hoffenheim aufschauen: „Hoffenheim ist ohne Frage Großes gelungen“, sagt Karl-Heinz Rummenigge. Der Vorstandsboss des Rekordmeisters bedauert inzwischen seine Frotzelei über den Retortenklub („Wo waren die die letzten 100 Jahre?“). Nun sagt er: „Dieser Verein ist mir kein Dorn im Auge. Ganz im Gegenteil." Baut da jemand vor?

Die Frage ist nämlich nicht mehr, wie viel Bayern in Hoffenheim steckt, also was sich der Empörkömmling beim Branchenführer abgeschaut hat. Sondern: Wie viel Hoffenheim steckt in Bayern, also in welchen Bereichen der Aufsteiger dem Rekordmeister sogar voraus ist. Die AZ-Analyse:

DER TRAINERSTAB

Hoffenheim hat fünf Trainer, die Ralf Rangnick zuarbeiten. Ex-Profi Thomas Gomminginger kümmert sich um die Jugend und trägt den Titel „Laufbahnbegleiter", da er für die U 23 zuständig ist. Rangnick war vor zwei Jahren Pionier, als er Spezialisten in seinen Stab holte: die Co-Trainern Peter Zeidler, Tomislav Maric (ein früherer Stürmer) und Achim Sarsted plus Torwart-Trainer César Thier und Athletik-Trainer Rainer Schrey. Im Sommer stockte Bayerns neuer Coach Jürgen Klinsmann den Trainerstab auf elf auf. Mit Martin Vasquez als Co-Trainer, dazu Nick Theslof als Scout plus Walter Junghans als Torwarttrainer. Vier Coaches unter Leitung von Oliver Schmidtlein halten die Mannschaft fit.

DIE VIDEOANALYSEN

Lars Kornetka erstellt für Rangnick Videoanalysen und kam im Sommer zur TSG. Beim FC Bayern wurde Michael Henke als Chefanalytiker und Leiter Spielbeobachtung engagiert. Sein neuestes Modell: Die Spieler sollen schon in der Halbzeit Video-Sequenzen aus den ersten 45 Minuten in der Kabine präsentiert bekommen. Das hat Hoffenheim längst ausprobiert, schon in der 2. Liga, aber nur vier Mal praktiziert. Zu wenig effektiv, heißt es.

DER QUERSTEIGER:

Als Klinsmann Bundestrainer war, wollte er Bernhard Peters zum DFB holen. Beide verbinden ähnliche konzeptionelle Vorstellungen. Der Widerstand gegen den damaligen Hockey-Bundestrainer jedoch war beim DFB zu groß, also ging Peters nach Hoffenheim. Dort wurde der Quereinsteiger Direktor für Sport und Nachwuchs. Beim FC Bayern setzt man auf bewährte Ex-Profis oder Kräfte mit Fußball-Hintergrund und verzichtet auf Fachmänner aus anderen Sportarten.

DAS JUGENDZENTRUM:

TSG-Macher Dietmar Hopp verriet im Sommer: „Klinsmann hat sich bei Bernhard Peters, unserem Nachwuchs-Direktor, über unser Jugendkonzept informiert. Es wird in dieser Hinsicht eine Zusammenarbeit geben." Hoffenheim hat im ganzen Rhein-Neckar-Gebiet Jugendzentren gebaut und ein modernes Nachwuchszentrum, wo der TSG-Perspektivkader trainiert.

DER PSYCHOLOGE

Hans-Dieter Hermann arbeitet für den DFB und Hoffenheim, er schrieb gemeinsam mit Sportdirektor Peters ein Buch („Führungs-Spiel"). Bei Bayern installierte Klinsmann nach diesem Vorbild Ex-Keeper Philipp Laux, der als Sportpsychologe und Fortbildungsleiter firmiert. Er steht bei Sorgen und Kummer als Gesprächspartner zur Verfügung und koordiniert alle Termine der Profis auf ihren Messageboards in der Kabine. Laux hatte Klinsmann direkt von Hoffenheim abgeworben, zuvor assistierte er dem schwäbischen TSG-Chefcoach Ralf Rangnick als Torwart-Trainer.

DER MÄZEN

Ohne Dietmar Hopp wäre die TSG Hoffenheim niemals da, wo sie jetzt ist: ganz oben. Der SAP-Gründer sieht es als wichtigste Aufgabe an, seinen Verein künftig finanziell unabhängig von ihm zu machen – und bindet gerade neue Sponsoren ein. Bei Bayern hat man sich lange gesperrt gegen Investoren, die 10-Prozent-Beteiligung von Ausrüster adidas war der einzige Versuch, neue Wege zu gehen – aus Angst, ein Investor könne die Macht übernehmen. „Hopp ist ein Investoren-Modell, das funktioniert“, sagt sein Golf-Spezl Franz Beckenbauer. Auch bei Bayern?

Reinhard Keck, Patrick Strasser

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