Wie lange noch?
München - Der 3. März 2011 geht als bedeutender Tag in die Geschichte des FC Bayern ein. Gespielt wurde nicht, es fand lediglich ein öffentliches Auslauftraining an der Säbener Straße statt. Sonnig war es, ein frischer Wind wehte.
Die Spieler bekamen presse-frei, sollten sich nach dem 0:1 im Pokalhalbfinale gegen den FC Schalke am Vorabend nicht äußern, die Regeneration stand im Vordergrund. Also war Sportdirektor Christian Nerlinger auserkoren, den Medien als Blitzableiter zu dienen, nachdem nun die zweite Titelverteidigung in dieser Saison weg ist.
Und er hatte eine Neuigkeit, eine echte Sensation parat – nein, es war nicht die Entlassung von Trainer Louis van Gaal, die steht intern auch nicht zur Debatte. Noch nicht. Nerlinger sprach: „Unser Saisonziel ist Platz zwei. Das ist für uns jetzt die deutsche Meisterschaft.” Klar, Borussia Dortmund ist uneinholbar enteilt, der Abstand zu Bayer Leverkusen (Tabellenzweiter) beträgt vier Punkte, der zum Dritten Hannover zwei Zähler. Rang zwei bedeutet das direkte Startrecht für die kommende Champions-League-Saison. Doch im Selbstverständnis des FC Bayern ist man dann erster Verlierer – will man jetzt gar den Rathausbalkon für den 21. Mai buchen? Und was zeigt man dann den Fans? Die Tabelle? Für einen Vizemeister gibt es nur Trost – oder Häme.
„Platz drei wäre nur schwer verdaulich”, sagte Nerlinger, da man dann in die Qualifikation für Europas Liga der Besten muss und eine Großeinnahme in Höhe von 57 Millionen Euro wie in der Saison 2009/10, als man das Finale in Madrid erreichte, nicht erreichbar wäre. Abgesehen davon: Eine Zuschauerrolle im Prestige-Wettbewerb mit dem Finale 2012 in der Allianz Arena wäre der Super-Gau. Gerät Rang drei, also die neue Vize-Meisterschaft in Gefahr, wäre auch van Gaal seinen Job los. Schon nach einer Pleite am Samstag (15.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) beim direkten Konkurrenten Hannover? Es wäre die dritte Pleite in acht Tagen – und der nächste Magenschwinger nach dem 1:3 gegen Dortmund, dem 0:1 gegen Schalke.
„Die Saison ist schwer zu retten”, sagte Kapitän Philipp Lahm, er kategorisierte sie als „schlecht” ein. „Wir sind in einer sehr schwierigen Situation”, erklärte Nerlinger, „auch in der Liga ist die Situation unbefriedigend und sehr gefährlich.” Ist Hannover ein Endspiel für van Gaal? Nerlinger: „Jeder, der sich mit dem FC Bayern beschäftigt und die Szenarien durchgeht, weiß, wie wichtig dieses Spiel ist.” Und was passiert bei einer Niederlage, Herr Nerlinger? „Was soll passieren? Soll ich die Spieler rausschmeißen, den Trainer, den Sportdirektor, den Mediendirektor oder die Medien? Mit solchen Szenarien beschäftigen wir uns nicht. Ich gehe davon aus, dass wir in Hannover gewinnen. Ich will keine Szenarien, was wäre wenn. Ich glaube an die Mannschaft.” Ein Plan B existiert offenbar nicht.
Dennoch bleibt die Frage in Bezug auf van Gaal: Wie lange noch? Aus dem Feierbiest, dem 2010 das Double gelang und beinahe ein Champions-League-Triumph, ist ein Spielverderber geworden, seine Fehler häufen sich (siehe nächste Seite). „Ich mache meine Arbeit – und ich denke, dass ich das gut mache”, verteidigte er sich. Die Spieler attestieren ihm das, dennoch findet er auf dem Platz keine Lösungen, improvisiert nicht genug, verliert ein wichtiges Spiel nach dem anderen.
Und Präsident Uli Hoeneß schweigt. Er will eingreifen, „wenn die Champions-League-Qualifikation in Gefahr ist. Dann werde ich unruhig, das war auch bei Klinsmann so.” Stichtag Sonntag?