"Wie in den 70er Jahren"

Berti Vogts, einst Verteidiger in den großen Gladbacher Mannschaften, fühlt sich bei Favres Borussen an früher erinnert. Er lobt die Ideen des Trainers – und bekennt Sympathie für die Bayern.
AZ: Herr Vogts, wenn es so weiter geht, stürmt Borussia Mönchengladbach in die Champions League...
BERTI VOGTS: ...was mich wahnsinnig Freude würde. Ich bin ein Fan von Borussia. Das wird immer mein Verein bleiben. Bei mir Zuhause liegen zwei Jahreskarten, wann immer ich Zeit habe, bin ich dort und genieße diesen nach vorne gerichteten Fußball...
Wir wollten auf etwas anderes hinaus: Früher klangen Sie weniger euphorisch, sondern gehörten zu den schärfsten Kritikern...
Es gab Zeiten, da gab es Grund zu kritisieren. Allerdings wurden mir am Ende alle Dinge, die irgendwo negativ gesagt wurden, angelastet, obwohl sie gar nicht von mir stammten.
Und heute?
Gibt es wirklich viel Grund zur Freude. Ich hoffe sehr, dass es der Mannschaft gelingt, die Champions League zu erreichen. Das Geld wäre wichtig, um wieder in neue Spieler investieren zu können. Da wächst etwas, das mich an die 70er jahre erinnert.
Als die Erzrivalen Mönchengladbach und der FC Bayern quasi im Privatduell die Liga bestimmten.
Jetzt wollte ich etwas anderes sagen. Sie haben natürlich grundsätzlich recht, aber mir geht es um die Art und Weise, wie die Mannschaft spielt. Sie harmoniert und jeder Spieler weiß genau, was er zu tun hat, es steckt Leidenschaft und Fußballlust dahinter. Es ist beeindruckend, wie heute jeder Spieler völlig anders auftritt.
Wer steht für Sie in erster Linie hinter dem Wandel?
Eindeutig der Trainer. Lucien Favre hat eine echte Mannschaft geformt, die einer Idee folgt und Ordnung hält.
Nun ist der Pokalhalbfinal- Gegner FC Bayern derzeit in bester Torlaune, eine Gefahr für die Borussia?
Der FC Bayern ist in der Form für jede Mannschaft in Europa eine Gefahr. Aber wir haben mit dem Sieg gegen Bayer Leverkusen gezeigt, wie groß das neue Selbstvertrauen ist. Es wird ein packendes Spiel am Mittwoch. Wie früher, wie in den 70er Jahren.
Damals war die Rivalität zu den Bayern extrem.
Manche haben das als Krieg beschrieben, was natürlich übertrieben ist, aber es waren sehr erbitterte Duelle. Und es wurde erwartet, dass wir gewinnen, sonst hatten wir ein paar Tage später ein Problem mit den Fans.
Heute ist das Verhältnis entspannter?
Sportlich ist die Borussia in ihrer Entwicklung auf dem Weg, um auf Augenhöhe zu sein. Wirtschaftlich werden wir das nie sein. Es gehört zu den Gesetzen Mönchengladbachs, dass gute Spieler immer wieder verkauft werden müssen, um den Rest der Mannschaft zu halten und selbst wieder welche zu kaufen. Das war auch in den 70er Jahren teilweise so.
Umso wichtiger wäre es, Trainer Lucien Favre zu halten, damit er die Arbeit fortsetzen kann...
Absolut. Dabei helfen natürlich Einnahmen aus dem internationalen Geschäft, aber Lucien Favre sollte auch daran denken, dass ihm die Borussia diese Chance gegeben hat. Und er könnte daran denken, dass es große Trainer wie Weisweiler, Lattek und Heynckes gab, die lange sehr erfolgreich in Mönchengladbach gearbeitet haben. Ich könnte mir vorstellen, dass das bei ihm so sein könnte.
Bevor Favre kam, haben Sie den damals relativ unerfahrenen Manager Max Eberl hart kritisiert.
Heute hat er auch das Quäntchen Glück, das du als Manager brauchst. Und er hat einen Trainer an seiner Seite, von dessen Erfahrungen er mit profitieren kann. Übrigens bildete sich damals eine Opposition. Ich habe es ausdrücklich abgelehnt, Teil davon zu sein.
Ist die die Borussia heute besser aufgestellt?
Da wird Hand in Hand gearbeitet. Und es passt zusammen, was getan wird. Deshalb glaube ich daran, dass es gelingt, die Abgänge von Spielern wie Marco Reus zu kompensieren. Die Borussia ist im Scoutingbereich hervorragend aufgestellt. Leute wie Mario Vossen (Chefkoordinator Scouting, d. Red.) sind ständig unterwegs und Hans Meier (Ex-Trainer, d.Red.) verfügt über viel Erfahrung. Und vergessen wir nicht: Es gab berühmtere Namen in Mönchengladbach als Reus.
Kann die Borussia also an die alten Zeiten anknüpfen?
Das wird sicher noch eine Zeit dauern, aber vieles deutet darauf hin und ähnelt dem, was es in Mönchengladbach einmal gab. Einen Verein und eine Mannschaft, die als Botschafter der Region eine Marke im Fußball ist und für eine erfrischende Art Fußball steht. Borussia hat sich zuletzt viel Respekt erarbeitet – und sich diesen Respekt verdient.
Noch ein Wort zum FC Bayern?
Ein großer und sympathischer Verein.
Das hätten Sie als Spieler damals kaum sagen dürfen.
Hätte ich damals nicht gemacht, aber es stimmt trotzdem. Nur ein Beispiel. Vor einigen Wochen haben wir vier aserbaidschanische Nachwuchsspieler für vier Wochen zu den Bayern schicken können, sie erhielten dort eine Zeit lang eine super Ausbildung. Die Münchner haben sich großartig um sie gekümmert. Bei aller Rivalität, Bayern München ist zu allem anderen ein herzlicher Verein.