"Werde alles auf den Kopf stellen": FC-Bayern-Trainer Tuchel mit Ansage nach Niederlage

München - Während das Wetter in München in den vergangenen Tagen immer besser wurde, ging die Stimmung an der Säbener Straße in die genau entgegengesetzte Richtung. Mächtig dunkle Wolken – gar ein symbolisches Donnerwetter – beim FC Bayern!
Das sah vor ein paar Monaten noch ganz anders aus: Als Thomas Tuchel Mitte März in der Allianz Arena vorgestellt wurde, lobte er die Mannschaft in den höchsten Tönen.
FC Bayern: Wo ist der Optimismus von Trainer Tuchel hin?
Der Kader gehöre zu den "besten und talentiertesten in Europa", mit dem man "um jeden Titel spielen" könne. Hält man sich an den genauen Wortlaut, hatte Tuchel dabei nicht einmal Unrecht. Der FC Bayern tat zu diesem Zeitpunkt genau das: um jeden Titel spielen. Gewinnen werden sie allerdings weder den DFB-Pokal, noch die Champions League und, so sieht es nach dem 1:3 gegen RB Leipzig aus, erstmals seit 2012 auch nicht die Bundesliga.
Wer möchte, kann den DFL-Supercup aus dem August mitzählen, als der FC Bayern spektakulär mit 5:3 in Leipzig gewann, um eine komplett titellose Saison zu vermeiden. Dennoch wurde vor allem in den vergangenen Wochen deutlich, dass Thomas Tuchels Freude und Optimismus zunehmend Frust und Ratlosigkeit gewichen sind.
Was der Liga-Titel mit New York und Bogenhausen zu tun hat
Auf die Frage von Sky-Expertin Tabea Kemme, ob vor dem Leipziger Ausgleich die Cleverness gefehlt habe, redete sich Tuchel in Rage: "Natürlich! Du musst machen, was in der Situation nötig ist. Es ist nicht nötig, dass wir im Kopfball den Kopf einziehen und der Nächste versucht, die Situation spielerisch zu lösen."
Um das zu verdeutlichen, wählte Tuchel einen kuriosen Vergleich: "Wenn du in New York über die Straße gehst, gehst du anders über die Straße als hier in Bogenhausen. Wenn du ohne zu gucken gehst, wirst du überfahren. Es ist eine Anpassung an das, was nötig ist."

FC-Bayern-Trainer Tuchel schreckt nicht vor persönlicher Kritik zurück – müsste diese aber auch einstecken
Bereits während des Spiels haderte Tuchel mehrmals an der Seitenlinie und strahlte nur bedingt Zuversicht und Stärke auf seine verunsicherte Mannschaft aus. Am Samstagabend zählte Bayerns Trainer seine Spieler in Interviews erstmals konkret an. Jamal Musiala war derjenige, der laut Tuchel den Kopf einzog, Kingsley Coman blieb mit seinem Chip am energisch pressenden Konrad Laimer hängen.
Später am Abend legte Tuchel im ZDF-"Sportstudio" nach: Zweikampfverhalten und Entschlossenheit hätten in der besagten Szene gefehlt, nicht die Konterabsicherung. Dabei darf aus taktischer Sicht aber durchaus die Frage erlaubt sein, warum ausgerechnet Musiala und Coman die erste Pressinglinie bildeten, anstatt des wesentlich körperlicheren Leon Goretzka, der ohnehin sein letztes Standardtor am 2. April des vergangenen Jahres beim 4:1-Sieg in Freiburg erzielte.
FC Bayern in der Krise: Trainer Tuchel will "alles auf den Kopf stellen"
Tuchels Aussagen nach der Niederlage gegen Leipzig lassen erkennen, wie ratlos der Bayern-Trainer aktuell zu sein scheint: "Ich werde alles auf den Kopf stellen und versuchen zu verstehen, wie wir so einen krassen Rückschritt machen. Wie wir uns nach 30 Minuten entscheiden, plötzlich mit Siebenmeilenstiefeln in die komplett andere Richtung zu gehen." Und weiter: "Ich habe etwas Sorge, dass ich keine Antwort bekomme..." Ein Satz, der tief blicken lässt, wie schwer die Krise beim FC Bayern derzeit wiegt.
Er könne zwar sagen, was fehlte, jedoch nicht warum, führte Tuchel weiter aus. "Wir haben aufgehört, mutig und tapfer zu spielen. Hatten zu wenig Bewegung. Zu viele einfache Fehler, viel zu viele. Keinen Rhythmus mehr. So fehlerhaft, so wenig Biss, so wenig Geschwindigkeit. Wir haben so viele Themen."
Die letzte Woche wird für Tuchel und den FC Bayern zum Schlüsselereignis
Themen, die Tuchel nun schleunigst angehen muss. Für ihn wird die letzte Trainingswoche und das letzte Bundesligaspiel dieser Saison zum Schlüsselereignis. Mit dem, was er seinen Spielern mitgibt und den Erlebnissen, die sie machen, werden sich die Bayern-Stars ab kommendem Montag in den Sommerurlaub verabschieden.
Bei aller deutlichen (und berechtigten) Kritik darf Tuchel die Bindung zur Mannschaft nicht verlieren. Der Bayern-Coach muss es nächste Saison schaffen, mit den Neuzugängen eine Achse zu etablieren, die wieder in der Lage ist, Spiele zu gewinnen.
Bleibt abzuwarten, ob sich die dunklen Wolken über der Säbener Straße in den kommenden Wochen und Monaten verziehen werden oder ob sich doch ein heftiges Unwetter zusammenbraut...