Wer ist wo besser? Tuchel vs. Alonso im AZ-Check

München - Trainer Thomas Tuchel ist gebürtiger Bayer, stammt aus Krumbach in Schwaben, Landkreis Günzburg. Das Mia-san-Mia-Gen hat der 50-Jährige noch nicht so recht intus seit er vor knapp elf Monaten in München als Chefcoach übernahm. Doch vor dem Bundesliga-Topspiel seines FC Bayern am Samstag (18.30 Uhr, Sky) bei Bayer Leverkusen gab sich Tuchel ungewohnt kämpferisch. Der Meister-Gipfel, der vorgezogene Titel-Showdown zwischen dem Tabellenführer, zugleich Herausforderer und historisch ewiger Zweiter, sowie dem Serienmeister weckt selbst im Trainer-Routinier besondere Gefühle.
FC Bayerns Tuchel: "Ich hätte beinahe gesagt: Hosen runter!"
Tuchel sprach am Freitagmittag an der Säbener Straße von einem "außergewöhnlichen Spiel" und "einer außergewöhnlichen Möglichkeit, einem besonderen Moment, die Karten auf den Tisch zu legen". Und fügte hinzu: "Ich hätte beinahe gesagt: Hosen runter!" Gesagt ist gesagt.
Er wiederholte sich mehrmals, damit die Botschaft überall verfängt: "Am Samstag um 18:30 Uhr zählt es. Leverkusen will auch ein Ausrufezeichen setzen. Es geht darum, dass wir es mehr wollen. Wir fahren nach Leverkusen, um zu gewinnen - und nichts anderes. Wir wollen den Spieß umdrehen."
Für den zwölften Meistertitel hintereinander, eine bayerische Selbstverständlichkeit und Teil des Mia-san-Mia-Verständnisses.
Tuchel zeigt sich angriffslustig, Alonso gibt sich bedächtig
Abgeklärt und bedächtig gibt sich Tuchels Gegenüber Xabi Alonso, der von 2014 bis 2017 insgesamt 117 Pflichtspiele für Bayern bestritt. Trocken meinte der 42-Jährige: "Bayern ist immer der härteste Gegner, sie sind die beste Mannschaft in Deutschland. Ihre DNA ist es, zu gewinnen." Leverkusen steht im Halbfinale des DFB-Pokals, könnte den ersten Titel seit 31 Jahren (1993 gewann man den Cup gegen die Hertha Amateure) holen - oder wird es gleich das Double? "Schritt für Schritt" mit langer Betonung auf dem "i" wiederholt Alonso gebetsmühlenartig seine Vorgehensweise.
Eine Gegenüberstellung der Übungsleiter:
Trainerlaufbahn: Tuchel gewann mit dem FC Chelsea die Champions League, mit Borussia Dortmund den DFB-Pokal, mit PSG zwei Mal die französische Meisterschaft und 2023 mit Bayern - überaus glücklich - die Schale. Stets in einem schwierigen Umfeld. Alonso arbeitete als Jugendtrainer bei Real Madrid und betreute die zweite Mannschaft von San Sebastián, ein softer Einstieg. Bayer (seit Oktober 2022) ist seine erste Profistation.
"Tuchel hat auch seine Handschrift, aber die von Alonso ist für mich sichtbarer"
Wirken/Handschrift: Fachlich ist Tuchel über alle Zweifel erhaben - das schätzen die Spieler. Doch der enge Draht wie zwischen Alonso und seinem Team mag nicht aufkommen. "Tuchel hat auch seine Handschrift, aber die von Alonso ist für mich sichtbarer", meinte DFB-Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus in seiner Sky-Kolumne, ergänzte jedoch, dass Tuchel im Gegensatz zu Alonso "nicht alle Spieler bekommen hat, die er wollte". Alonso, mit Vertrag bis 2026 ausgestattet, soll vom Bleiben überzeugt werden - zumindest noch eine Saison, trotz der Interessenten aus Liverpool und womöglich München. Bei Tuchel streben alle Parteien an, dass er seinen Vertrag bis 2025 erfüllt. Das sagt schon alles.
Bei Tuchel wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt
Auftreten/Souveränität: Intern wie extern wird bei Tuchel alles hinterfragt, jedes - sehr ehrlich - ausgesprochene Wort auf die Goldwaage gelegt. Alonso hat viel gestalterischen Freiraum, seine Pläne (Ersatztorwart Kovar spielt im Pokal, Stammspieler wie Kapitän Tah lässt er mal draußen) gehen auf. Tuchel äußert sich nach Kritik von TV-Experten wie Didi Hamann dünnhäutig und ironisch, wirkt sperrig. Alonso dagegen hat im Verein eine neue Euphorie entfacht, kommt leicht und locker rüber, kein Wunder: Noch hat Leverkusen keines seiner 30 Saisonspiele verloren, musste Alonso keine Krisen moderieren. Diese Reifeprüfung steht noch aus.