Wenn sogar der Hund grinst...
Jürgen Klinsmann erklärt bei Günther Jauch, warum er beim FC Bayern vorzeitig gescheitert ist.
MÜNCHEN Jürgen Klinsmann wird am Samstag vor dem Fernseher sitzen. Nicht mit Mütze, Sonnenbrille und falschem Bart in der Allianz Arena. Auch nicht wie schon lange geplant mit Kind und Kegel bei einem alten Spezl vom VfL Wolfsburg zu Besuch sein und in der bald magathfreien Volkswagen Arena sitzen. Nein, er wird zu Hause in Grünwald sein; das weiß man jetzt. Jürgen Klinsmann redet nämlich wieder.
Drei Tage vor dem Saisonfinale und 23 Tage nach seiner Entlassung sprach er über seine 302 Tage beim FC Bayern, 24 Minuten lang, bei Günther Jauchs „Stern TV“. Eine reichlich skurrile Sendung war das und eine nervige Zapperei wegen des Bremer Verlängerungs-Dramas beim Nachbarsender. Eine halbe Stunde vor Mitternacht kam Klinsmann endlich, nach Beiträgen über Borderline-Geschädigte, die Geburt eines Giraffen-Babys und Reiner Calmunds Abspeck-Spektakel – was für ein Panoptikum! Klinsmann, das Hemd locker über der Hose, lächelte sein Klinsmann-Lächeln, sagte Erwartbares („Die Meisterschaft wäre absolut machbar gewesen“, „Ich habe mich auf zu viele Kompromisse eingelassen“), hielt sich mit konkreten Unmutsäußerungen weitgehend zurück – schließlich laufen die Verhandlungen über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ja noch –, doch so manche Spitze gegen den Ex-Klub schien dann doch durch.
So sprach er nicht mehr „vom Uli“, „vom Kalle“ und „vom Franz“, sondern von „den Alphatieren, die natürlich auch ihren Platz haben möchten und mit denen man sich zu reiben hat“. Was nicht immer einfach war: „Ich bin mit meiner Denkweise hier und da an die Grenzen gestoßen, weil ich es oftmals mit Leuten zu tun hatte, die sich nicht weiterentwickeln wollen, die mehr auf Besitzdenken fixiert waren.“ Lukas Podolski warf er einmal mehr fehlenden „Willen und Entschlossenheit“ vor (siehe Text oben).
Indirekt bezichtigte Klinsmann Hoeneß der Lüge. Dass Jupp Heynckes beim Schalke-Spiel zufällig auf der Tribüne saß, könne man „natürlich nicht glauben“. Auch gegen die Profis teilte er nochmal aus: Diese hätten sich „zu sehr auf die Champions League fixiert und gedacht, die Bundesliga läuft schon irgendwie. Wir haben ja einen guten Kader, sind sehr gute Spieler. Die haben das unterschätzt“.
Ein gewisse Naivität, was die lebhafte Münchner Presse angeht, räumte er immerhin auch bei sich selbst ein – obwohl er die Verhältnisse aus seiner aktiven Zeit kannte. „Vielen ist einfach Sepp Maier oder Oli Kahn hängengeblieben, das wurde medial geschürt, bösartig und kontinuierlich. Jedes Spiel wurde zum nächsten Schlüsselspiel erklärt. Das war schon in den letzten zwei, drei Monaten eine unwürdige Hetzjagd.“ Enttäuscht war er auch von der fehlenden Unterstützung im Streit gegen die „taz“, die ihn in der Ostersamstags-Ausgabe ans Kreuz genagelt hatte. Rechtliche Schritte hatte sein Arbeitgeber angekündigt, Klinsmann am Tag darauf aber mitgeteilt, darum müsse er sich schon selbst kümmern.
Insgesamt ein Auftritt zwischen Enttäuschung, Trotz und Nicht-wahrhaben-Wollen. Immer wieder sprach Klinsmann von Prozessen, mahnte die Zeit an, die er nicht bekam. So kurz vor dem Ziel sei man gewesen – als sei der Titel nur einen Katzensprung entfernt gewesen. Dabei war es eher ein Stabhochsprung über Weltrekordhöhe.
Er habe viel aus dem Kapitel FC Bayern gelernt, sagte Klinsmann. Als Trainer will er schon wieder arbeiten, jedoch noch nicht kommende Saison. Stattdessen nach zehn Jahren USA mit der Familie so richtig heimisch werden im schönen Süddeutschland. Im Beitrag von „Stern TV“ marschierte er freudestrahlend durch eine oberbayerische Bilderbuchlandschaft, und irgendwie schien selbst der Hund an seiner Seite zu grinsen.
Mit einer Einladung zur möglichen Meisterfeier des FC Bayern rechnet Jürgen Klinsmann übrigens nicht. Wenigstens darin dürfte er sich nicht irren.
Thomas Becker