FC-Bayern-Legende Giovane Elber verwundert über Superstar Harry Kane: "Wenn ich ihn sehe – meine Güte!"

AZ-Interview mit Giovane Elber. Der 51-Jährige war rund um die Jahrtausendwende der Stürmerstar des FC Bayern. Nun fungiert er als dessen Markenbotschafter.
AZ: Herr Elber, am Mittwoch geht es für den FC Bayern München im Halbfinal-Rückspiel bei Real Madrid um den Einzug ins Champions-League-Finale. Sie sind Ex-Profi, Markenbotschafter und im Bernabéu-Stadion als Fan dabei. Packen es die Münchner?
GIOVANE ELBER: Unsere Saison, vor allem in der Bundesliga und im DFB-Pokal, war nicht so gut, aber in der Champions League waren wir meistens sehr gut. Ich denke, dass es am Mittwoch für die Bayern darum geht, eine starke Mannschaftsleistung zu zeigen. Die muss stimmen. Dazu brauchen wir etwas Glück und einen Manuel Neuer in Topform, denn vielleicht fällt die Entscheidung ja sogar im Elfmeterschießen.
CL-Triumph des FC Bayern: Giovane Elber erzielte 2001 im Bernabéu das entscheidende Tor
Wie 2012 unter Jupp Heynckes. 2001 haben Sie im Bernabéu das entscheidende Tor zum 1:0-Erfolg erzielt, damals der Grundstein fürs Weiterkommen ins Endspiel. Auch beim 2:1 im Rückspiel eine Woche später im Olympiastadion haben Sie getroffen.
Ich habe nie in meiner Karriere ein Tor aus größerer Distanz erzielt als damals am 1. Mai 2001 – auch wenn es nur etwas mehr als rund 20 Meter waren. Als der Ball kam, habe ich nicht viel überlegt, mich schnell gedreht und mit links einfach abgezogen. Mit links!
Sie mussten zehn Tage vorher am linken Knie operiert werden.
Genau, es musste eine Arthroskopie gemacht werden, ein paar Knorpelteile wurden entfernt. Am Tag nach unserem 2:1-Erfolg im Viertelfinal-Rückspiel gegen Manchester United bin ich nach der Entscheidung unseres Mannschaftsarztes Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt gemeinsam mit Jens Jeremies nach Berlin geflogen, wir wurden dort beide operiert. Ich habe das Risiko in Kauf genommen, habe alles versucht, rechtzeitig fit zu werden und zu Ottmar Hitzfeld gesagt: Trainer, bitte lass' mich spielen! Es hat Gott sei Dank geklappt, auch bei Jens. Leider konnte er dann im Finale, als wir gegen Valencia den Titel gewonnen haben, wegen seiner Verletzung nicht mitmachen.

Elber: "Harry Kane ist ja kreuz und quer auf dem ganzen Platz unterwegs"
War es das wichtigste Tor Ihrer Karriere?
Ja! Weil es beim 1:0 blieb. Olli Kahn hat in diesem Spiel überragend gehalten. Nach dem Spiel in der Kabine konnte ich mich kaum freuen, ein merkwürdiges Gefühl. Ich war total leer, als wäre das Spiel alles ein Traum gewesen.
Aus Ihrer Sicht als ehemaliger Mittelstürmer: Wie wichtig wird am Mittwoch Bayerns Torjäger Harry Kane? Bei Gegner Real lässt Carlo Ancelotti nach dem Abschied von Karim Benzema ohne Mittelstürmer agieren.
Selbst Pep Guardiola hat eingesehen, dass man nur mit einem echten Mittelstürmer, also Erling Haaland, die Champions League gewinnen kann – siehe letzte Saison. Aber Real macht das sehr gut. Jude Bellingham stößt immer wieder vorne in den Strafraum, ist sehr torgefährlich. Über die Außen kommen Rodrygo und Vinícius Júnior. Ich finde, dass Bellingham bei Real noch besser geworden ist. Und wenn ich Kane sehe, wie er seine Rolle bei Bayern interpretiert, dann bin ich immer froh, dass ich früher nicht so viel laufen musste, meist vorne bleiben durfte. Kane ist ja kreuz und quer auf dem ganzen Platz unterwegs – meine Güte! Und trotzdem trifft er dann am Fließband.
Giovane Elber: Einbürgerungstest? "Ich hatte so eine Angst"
Sie sind seit Dezember letzten Jahres deutscher Staatsbürger. Wie kam's dazu?
Ich bin 1994 nach Deutschland gekommen, als ich zum VfB Stuttgart gewechselt bin. Deutschland ist mittlerweile meine Heimat, mein Lebensmittelpunkt. Ich fühle mich eher als Deutscher. Wenn ich allerdings ins Flugzeug nach Brasilien steige, um mich auf meiner Farm um meine Rinderzucht zu kümmern, schalte ich um auf Brasilianer. Bis letztes Jahr hatte ich lediglich den brasilianischen Pass.
Was Ihnen im Sommer 2023 auf der Promotion-Reise des FC Bayern nach Japan und Singapur Probleme bereitete.
Während unseres Fluges fiel uns auf, dass ich ja gar keinen deutschen Pass besitze. Es hieß: Giovane, du hast für Japan keine Einreiseerlaubnis. Okay, habe ich geantwortet. Entweder klappt es oder ich muss eben zurück, das wäre kein Beinbruch. Schon während des Fluges hat unser Reisebüro Kontakt mit den japanischen Behörden aufgenommen. Nach der Landung kam eine japanische Polizistin im Terminal auf mich zu und sagte auf Portugiesisch: "Bom dia!", also guten Tag! Sie hatte brasilianische Wurzeln, war sehr nett und sagte: Die Behörden entscheiden, Sie müssen warten. Okay, kein Problem. Nach ein, zwei Stunden war die Sache geregelt. Ich war sehr erleichtert. Das passiert mir mit dem deutschen Pass nicht mehr (lacht).
Wie schwierig war der Einbürgerungstest?
Ich habe vorher viel gelernt und gelesen, über Geschichte, Politik, das Land Bayern, die Bundesrepublik. Ich hatte so eine Angst, dass ich es nicht schaffe! Die Leute hätten gesagt, jetzt lebt der Elber 30 Jahre in Deutschland und besteht den Test nicht! Zum Glück habe ich 94 von 100 Punkten erreicht. So gut war ich als Kind in der Schule zu Hause in Londrina nicht. Meine Frau Cintia war noch besser als ich, darüber hat sie sich natürlich besonders gefreut. Wir haben dann im Dezember vom Kreisverwaltungsreferat München unsere Einbürgerungsurkunden und die Pässe erhalten. Für uns beide ein sehr stolzer und emotionaler Moment. Ich bin jetzt der Johannes Elber (lacht).