Weltmeister im Tal: Hansi Flick erklärt die Pavard-Krise
München - Erinnern Sie sich noch an die Rhetorik vom allseits umschwärmten Trainersuperstar Pep Guardiola? Lange her. In Zeiten, in denen der Begriff "Fake News" noch gar nicht en vogue war bzw. von einem - hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt - "Präsidenten" nicht beliebig und als tatsächlich Fakten verdrehender, verächtlicher Ausdruck verwendet wurde.
Scheinheiliges "Fake Lob" von Guardiola
Guardiola, der Super-Super-Super Trainer, verteilte seinerzeit an der Säbener Straße hier und da ein scheinheiliges "fake Lob", um seine Spieler zu preisen. Vordergründig, mit so spitzer Zunge, die kurz danach zur Waffe wurde, weil sie eine Verbannung auf die Bank einleitete. Wer top-top-top war, saß bald draußen. Siehe Dante, den wackeren Abwehrspieler, Champions-League-Sieger 2013. Über den Brasilianer sagte Guardiola 2015: "Er ist ein fantastischer Spieler und ich hätte am liebsten 1.000 Dantes im Team." Wenige Monate später verließ der frustrierte Dauer-Reservist die Bayern.

Flick setzt auf direkte Rhetorik
Hansi Flick ist in seiner Rhetorik direkt, benennt die Dinge beim Namen. Im aktuellen Beispiel geht es um Benjamin Pavard. Der Franzose war letzte Saison - ganz ohne Ironie - super, ein Leistungsträger auf der Rechtsverteidiger-Position, ein unumstrittener Stammspieler. Kurz vor dem Finalturnier der Champions League im August in Lissabon erlitt der Weltmeister von 2018 eine Bänderverletzung. Tragisch, da Pavard zuvor 46 von 49 Pflichtspielen mitgemacht hatte, dabei 44 (!) Mal in der Startelf stand.
Steckt Pavard wegen seiner Verletzung im Leistungsloch?
Hat er sein Comeback, um beim Gewinn des Henkelpotts nicht ganz außen vor zu sein, damals zu rasch forciert? Flick deutete dies am Donnerstag - wie es eben seine Art ist - indirekt an, sagte: "Benjamin hat, wie viele Spieler, eine sehr gute Rückrunde 2020 gespielt. Bis zu seiner Verletzung war er einer unserer konstantesten Spieler und hat sich sehr gut weiterentwickelt. Er stand nach seiner Verletzung relativ schnell wieder zur Verfügung." Es reichte jedoch bei den drei Partien in Lissabon nur zu einem Acht-Minuten-Kurzeinsatz. In der aktuellen Saison folgte der Formabsturz, er steckt im Leistungsloch.
Defensiv anfällig, nach vorne ohne große Wirkung
Im Dezember musste der 24-Jährige in den wichtigen Liga-Spielen gegen Wolfsburg (2:1) und in Leverkusen (2:1) draußen bleiben. Flick setzte lieber auf das Wagnis mit dem Innenverteidiger Niklas Süle als improvisiertem Mann für die rechte defensive Seite. Klappte ganz ordentlich. Und doch gab Flick zum Start ins Fußballjahr 2021 gegen Mainz Pavard eine neue Chance. Klappte gar nicht. Auswechslung bei 0:2, der Sechser Joshua Kimmich half rechts aus - Endstand 5:2. Vor dem Spiel am Freitag bei Borussia Mönchengladbach bekräftigte Flick, dass Kimmich "auf der Sechs spielen" werde.
Eine Warnung vom Trainer
Heißt: Süle ab nach rechts, da der eigentliche Pavard-Backup Bouna Sarr (28) wegen Muskelblessuren Trainingsrückstand hat. Dem Zehn-Millionen-Euro-Einkauf von Olympique Marseille fehlt überdies die Klasse, das zeigten die bisherigen acht Pflichtspieleinsätze. Pavard hingegen bekam nun eine Ansage des Trainers, gezielt eingesetzt als Warnung.
"Ihm fehlt aktuell die Bereitschaft, die Linie rauf und runter zu marschieren, vielleicht ist er nicht ganz bei 100 Prozent", sprach Flick. "Die Trainingseinheiten fehlen eben auch. Er bekommt wie jeder andere auch alle Unterstützung. Er wird aus diesem Tal wieder rauskommen, das ist auch unsere Aufgabe als Trainerteam." Positiv formuliert, aber hängen bleibt: ein Weltmeister im Tal. Na dann: Bonne chance beim Aufstieg!