Weiß Heynckes noch, was zu tun ist?
Sogar Beckenbauer wundert sich, wie locker Jupp Heynckes die Basel-Pleite nimmt. Denn dem Bayern-Trainer läuft derzeit manches aus dem Ruder
BASEL - Franck Ribéry sah keinen Gesprächsbedarf. Als er um kurz nach zehn im St. Jakob-Park seinen Arbeitstag beendete, war ihm nicht nach Smalltalk, noch nicht mal nach einem flüchtigen Händedruck. Und so schritt der Franzose an seinem direkten Vorgesetzten vorbei, als sei der gar nicht da, wandte den Kopf nochmal Richtung Spielfeld, nur um seinen Coach nicht ansehen zu müssen. Und der? Schaut, schluckt und schweigt. Was soll er auch tun? Den Widerspenstigen zum Abklatschen zwingen? Sagen: ,Mon ami, alles easy, nimm’s nicht so schwer’?
Jupp Heynckes sagte vielmehr: „Ich weiß, was zu tun ist.” Doch ist das noch so? Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge stellte beim Bankett im Swissotel Le Plaza die Frage: „Was ist eigentlich passiert zwischen Weihnachten und heute, dass wir hier jetzt unzufrieden sitzen?” Und gab selbst die Antwort: Wach werden! Böse werden! Hart arbeiten! Aggressiv spielen! Ein Trainer-Satz nach dem anderen. Findet der Coach nicht die richtigen Worte? Muss ihm Rummenigge die Rhetorik vorgeben?
Einige Entwicklungen stimmen bedenklich:
Die Zweifel:
Am Montag vor dem Basel-Spiel sprach Rummenigge im Kino-Auditorium an der Säbener Straße zum Team. Klar, dies ist das gute Recht eines besorgten Chefs. Aber sind da vielleicht auch Zweifel an Heynckes’ Überzeugungskraft? Ex-Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld meinte: „Da läuten die Alarmglocken. Bayern ist ein sensibles Gebilde.” Philipp Lahms Satz, man reise nicht mit besonders viel Selbstvertrauen nach Basel ist für Hitzfeld ein Zeichen, „dass die Mannschaft im Moment so ein bisschen auseinanderfällt”. Franz Beckenbauer wunderte sich, wie Heynckes das 0:1 hinnahm: „Er war erstaunlich locker. Ich hätte gedacht, er ärgert sich mehr.” Später attestierte Beckenbauer dem Team noch Lethargie und Bewegungslosigkeit. Härter kann Kritik nicht ausfallen.
Die Systemtreue:
4-2-3-1 und sonst nichts. „Ich werde auf keinen Fall das Spielsystem ändern”, hatte Heynckes vor der Partie gesagt – und das nach dem 0:1 bestätigt. Folge: Bayern ist ausrechenbar, vermag Gegner nicht zu überraschen. Das auf Ballbesitz ausgelegte Spiel Louis van Gaals hat Heynckes nicht entscheidend weiter entwickelt; es wirkt oft statisch, zuweilen öde. Torwart Manuel Neuer meinte: „So stellen wir uns unseren Fußball nicht vor.” Seit fünf Halbzeiten hat Bayern kein Tor mehr erzielt. Toni Kroos sagt: „Es fehlt die Leichtigkeit, das Selbstverständnis, ein Tor zu machen.” Ein Reißer-Typ wie Ivica Olic darf selten länger als 20 Minuten ran, selbst wenn Konkurrent Mario Gomez wie gegen Basel praktisch unsichtbar bleibt. Ein Spielsystem mit zwei Stürmern kommt aber offenbar nicht in Frage.
Die beleidigten Stars:
Natürlich bleibt es in einem Nobelkader wie dem des FC Bayern nie aus, dass prominente Namen auf der Bank sitzen müssen. Doch allein das allwöchentliche Mittelfeld-Roulette „drei aus vier” dürfte Heynckes viel Energie kosten. Wen trifft es am Sonntag gegen Schalke? Chef-Schmoller Arjen Robben, den Handschlag-Verweigerer Franck Ribéry oder Immer-Spieler Thomas Müller? Und im Sommer kommt noch der freche Xherdan Shaqiri dazu. Wenn Heynckes es tatsächlich schafft, all diese Dribbelkönige glücklich zu machen, kann er wirklich einen Diplomatenpass beantragen.
Das Selbstvertrauen:
Ist weg. Mia san mia? Schon lang nicht mehr. Ottmar Hitzfeld weiß, wie so etwas passiert: „Wenn man nervös wird und die Erwartungen nicht erfüllt und dann noch die Kritik dazu kommt. Das Schlimmste ist ja, dass Dortmund wegzieht, das strahlt aus auf das Selbstbewusstsein.” Heynckes sieht die Defizite woanders. Seiner Ansicht nach habe „die Mannschaft läuferisch und kämpferisch alles gegeben”, so der Bayern-Coach: „Uns fehlt das Selbstverständnis, die Ruhe, manchmal die taktische Disziplin.”
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